Es gibt schlechtere Werbung, als von Slavoj Žižek als Beispiel für die „unsexy“ Entmystifizierung der weiblichen Geschlechtsorgane genannt zu werden. In seinem aufwallenden NZZ-Kommentar wollte der Philosoph anhand von Liv Strömquists Bestseller „Fruit of Knowledge“ (Deutsch: „Der Ursprung der Welt“) demonstrieren, dass die Beschäftigung mit der Vulva und der Menstruation überhandnehme und in einem Untergang der Erotik zu münden drohe.
Der Comicband „Der Ursprung der Welt“ (2017) ist jedenfalls nicht nur in philosophischen Kreisen eingeschlagen: Zumindest aus feministischer Sicht gab es auch etwas zu lachen jenseits des Gemenges aus „Genderismus“-Hysterie, Sozialpolitik auf Kosten von Frauen, „Alte Männer“ versus „junge Gören“-Debatten.
Und ja, endlich schaute jemand genau hin auf das weibliche Geschlecht, auf die weibliche Lust und Scham, entmystifizierte vor kulturgeschichtlichem Hintergrund die Tabuzonen Menstruation, Orgasmus und Klitoris. Mit „Der Ursprung der Liebe“ legte Strömquist (2018) nach und zerpflückte das Konzept der romantischen Liebe samt dem daraus erwachsenen leidigen Evergreen Sexismus.An das bewährte Rezept aus punkigen Zeichnungen, vor Sarkasmus strotzenden Dialogen und feministischer Streitschrift hält sich die schwedische Zeichnerin auch in ihrem neuesten Buch „I’m every woman“ (im Oktober 2021 wird „Im Spiegelsaal“ folgen). Da taucht sie wieder in die (jüngere) Geschichte ab und nimmt sich die Prototypen der „alten weißen Männer“ vor, um sie im Wettbewerb der „unsäglichsten Lover der Weltgeschichte“ gegeneinander antreten zu lassen.
Im Schatten von allgemein unbestrittenen Genies wie Karl Marx, Edvard Munch, Picasso, Phil Spector und Albert Einstein standen nämlich Frauen, denen die äußerlich heldenhaften Gatten äußerst übel mitspielten. Jenny Marx etwa war eine große politische Denkerin und musste zusehen, wie ihr Gatte sie ständig mit dem Dienstmädchen betrog. Den Hauptpreis heimst Einstein ein: Seine erste Frau Mileva Marić war eine serbische Mathematikerin, eine der ersten Frauen, die ein Mathematik- und Physikstudium abschlossen. Sie war maßgeblich an der Relativitätstheorie und anderen Arbeiten Einsteins beteiligt – bis die Ehe in die Brüche geht, Marić allein mit den beiden Söhnen zurückbleibt und in Vergessenheit gerät.
Eine Bühne bekommen auch Priscilla Presley, Nadja Allilujewa-Stalina, Yoko Ono und Lee Krasner und ihre Strategien des Umgangs mit Chauvinismus & Co, was nebenbei ziemlich gruselige Schlaglichter auf deren jeweilige Lebensabschnittspartner Elvis, Stalin, John Lennon und Jackson Pollock wirft. Zwischendurch arbeitet sich Strömquist in kurzen Comic-Episoden an Themen wie der Kernfamilie, der Hure Babylon, den Simpsons und den Barbapapas ab.
In ihrem dritten Band zeigt sich Strömquist gewohnt angriffig und popkulturell abgebrüht, aber weniger stringent als in den vorhergegangenen Bänden. Dem übergeordneten Thema der Schattenfrau scheint ein bisschen die Luft auszugehen, die Analyse ist weniger tiefgehend als in ihren anderen Comic-Essays. Strömquist charmant-bissige Episoden schaffen es aber jedenfalls wieder mit erfrischender Leichtigkeit, die Absurdität patriarchaler Muster hervorzukitzeln, sodass das Grausen sich mit Grinsen abwechselt. Bestnote für feministischen Aufklärungsunterricht!
Diese Kritik erschien zuerst am 01.06.2019 auf dem Standard-Comicblog Pictotop.
Karin Krichmayr arbeitet als Wissenschaftsredakteurin für Der Standard. Außerdem betreibt sie für die österreichische Tageszeitung den Comicblog Pictotop.