„Alles Selbstbewusste, Professionelle, Fingerfertige stößt mich ab“

Die Hamburger-Schule-Legende Tocotronic gehört zu den erfolgreichsten und eigenwilligsten Rockbands Deutschlands. Der Mainzer Ventil Verlag hat den Tocos bereits Ende 2020 zum 25jährigen Jubiläum eine Comicanthologie spendiert („Sie wollen uns erzählen – Zehn Tocotronic-Songcomics“), bei der neben einigen der besten Zeichner*innen der deutschen Indiecomicszene auch ein gewisser Arne Zank den Zeichenstift geschwungen hat: seines Zeichens Drummer bei Tocotronic.

Vor seiner illustren Musikerkarriere hat Arne Zank Illustration mit dem Schwerpunkt Kinderbuch studiert. Zwischen 1997 und 2000 zeichnete er für die Kölner StadtRevue eine Comicserie namens „Die Vögel“. Als Tocotronic in den 1990ern durch die Decke schoss, ließ Zank erst das Illustrationsstudium und später auch die Comiclaufbahn ruhen. Anfang 2020 kehrte der Comic wieder in sein Leben zurück: auf Instagram veröffentlichte er neue „Die Vögel“-Comics: Gestartet als ein Übungsfeld und Motivationshilfe, um wieder mehr Praxis im Zeichnen zu bekommen, erwuchs daraus ein Berg an Folgen einer schier endlos laufenden Soap Opera. „Die Vögel – fliegen hoch!“ ist eine herrliche Comicpersiflage, die an die frühe Tocotronic-Zeit erinnert: D.I.Y., punkig und voller Spielfreude. Wir präsentieren das folgende Presse-Interview mit freundlicher Genehmigung des Ventil Verlags.

Du hast schon von 1997 bis 2001 in der Kölner StadtRevue eine Comicstrip-Reihe namens „Die Vögel“ veröffentlicht. Worum ging es damals und warum hast du erst jetzt, 20 Jahre später, mit einer neuen Vögel-Variante, an eine Buch-Veröffentlichung gedacht?

Damals war es ja eine Folge im Monat, dadurch habe ich mich sehr oft verzettelt und verkünstelt, im Nachhinein betrachtet. Habe ewig an den Bildkompositionen gefummelt. Die Erzählung war dabei bewusst ganz dünn gehalten. Ich kam auch gerade vom Illustrations-Studium, was noch sehr analog gehalten war und wollte unbedingt Grafik-Programme lernen.

Jetzt hat es sich so ergeben. Einerseits wollte ich wieder mehr Routine im Zeichnen kriegen. Dann hatte ich diesen Instagram-Account und habe ganz viele tolle Webtoons gefunden. Ich fand, dass Comics sehr gut in dieses Format passen. Da habe ich aber erst mal gesucht, was ich überhaupt machen will. Habe angefangen jeden Tag eine Zeichnung zu posten, auch alte Sachen. Es tauchte die Frage auf, was das ist. Soll das jetzt Kunst sein, oder Cartoons oder was? Andererseits gab es das Bedürfnis, alte verschollene Sachen von mir zu veröffentlichen. Da habe ich mir die alten Vögel-Folgen rausgesucht. Dann wollte ich aber doch etwas Neues, Aktuelles machen.

Nebenbei habe ich viele koreanische Drama-Serien geglotzt. Als ich dann eine Serie über einen Webtoon gesehen habe, kriegte ich Lust, so was selber zu machen. Also serielles Erzählen mit sehr viel Drama. Und den Vögeln.

Arne Zank: „Die Vögel – fliegen hoch!“.
Ventil Verlag, Mainz 2021. 128 Seiten. 20 Euro

Warum sind auch diesmal ausgerechnet Vögel die Protagonisten? Hast du eine besondere Beziehung zu ihnen?

Meine Schwester hatte, als ich klein war, einen Wellensittich namens Jonny. Zu dem hatte ich ein sehr gutes Verhältnis. Seitdem mag ich Vögel gerne. Und natürlich klingt der Name gut und macht tolle Assoziationen auf: Hitchcock, Entenhausen, schräge im Sinne von seltsame Vögel etc. pp.

Deine Vögel stecken voller popkultureller Verweise, geben nerdige Zitate von sich und geraten gleichzeitig in immer abstrusere Situationen, werden verfolgt, verhaftet, befreit… Wie ist die Idee zu deiner neuen Vogel-Story entstanden? Hattest du das Konzept von Anfang an im Kopf, oder hat sich die Story selbständig gemacht?

Das Ganze ist ja der permanente Versuch meine Antriebsschwäche zu überlisten. Also musste zu Anfang etwas Drastisches passieren, womit die armen Vögel, also ich, irgendwie umgehen müssen. Ab da hat sich alles aus sich heraus ergeben. Oft habe ich mehrere Erzählungsfäden im Kopf und dann fange ich an zu zeichnen und schaue, wie die aussehen und was sie wohl sagen würden. Alles möglichst schnell, also relativ zu meinem natürlichen Schneckentempo, morgens noch vor dem Frühstück. Um mich nicht zu zergrübeln. Und Vieles entstand auch aus Küchengesprächen mit meiner Freundin. Immer wenn ich überhaupt nicht mehr weiterwusste.

Du hast in Hamburg Illustration studiert, was hast du von dort mitgenommen?

Vor allem gute Freunde und schöne Bekanntschaften. Also es war eine herrliche Zeit! Ich habe ja vorher gedacht, man muss eine ordentliche Ausbildung machen. Allerdings habe ich da nirgends funktioniert. Ich war wirklich komplett ratlos. Als ich an der Fachhochschule angenommen wurde und andere ähnlich verlorene Existenzen getroffen habe, war das unendlich befreiend. Und obwohl uns immer gesagt wurde, dass man damit kein Geld verdienen kann, konnte man viel künstlerisch ausprobieren. Ich habe noch Bleisatz gelernt! Und Trickfilme gemacht.

Seite aus „Die Vögel – fliegen hoch!“ (Ventil Verlag)

Hast du neben deiner Band überhaupt Zeit gehabt zu zeichnen?

Glücklicherweise waren wir uns immer einig, dass wir neben der Band auch genug Zeit für Anderes haben wollen. Also nach den sehr hektischen Anfangsjahren jedenfalls. Ich habe allerdings viele Jahre mit Suchtproblemen und Depressionen zu tun gehabt, da blieb dann leider wenig Energie übrig.

Im Ankündigungstext heißt es, deinen Comics merke man einerseits dein Kinderbuch-Studium sowie andererseits deine Punkrock-Sozialisation an. Wo steckt das Kinderbuch und wo der Punkrock?

Ich habe eine große Vorliebe für das Niedliche, auf japanisch: Kawaii. Andererseits darf es nie gut gemacht aussehen. Also alles Selbstbewusste, Professionelle, Fingerfertige stößt mich ab. So schlingert es immer zwischen diesen zwei Polen herum.

Hast du immer schon einen Bezug zu Comics gehabt? Und welche Comics liest du gerne?

Ich bin in den siebziger Jahren mit Comics aufgewachsen. Lustige Taschenbücher, Fix und Foxi, Bussi Bär und ganz billige Kopien von anderen Serien im Bastei Verlag, Bon Bon-Hefte, mit einer sehr speziellen blödelnden Jugendsprache. Als Jugendlicher habe ich dann erwachsenere Sachen kennengelernt. Jacques Tardi, Matthias Schultheiss. Ich mochte aber auch immer lustige Sachen gerne. „Werner“ von Brösel, Rattelschneck, Gary Larson, und Derbes von Reiser und Guido Sieber.

Autobiografische Sachen waren ganz wichtig, da war Andreas Michalke natürlich früh vorneweg, wir sind damals auch auf dieselben Hardcore-Konzerte gegangen. Peter Bagge zu Grunge-Zeiten. An längeren Erzählungen dann Alison Bechdel, Ulli Lust, bei den Kinderbüchern ist Anouk Ricard das Schönste, was ich je gesehen habe. Und natürlich die Mangas und Klassiker… es hört nicht auf. Zum Glück!

Seite aus „Die Vögel – fliegen hoch!“ (Ventil Verlag)