Revierkämpfe

Irgendwo an einer Küste – auch wenn es nie genannt wird, gehen wir mal von Südfrankreich aus – lebt der Hund Toby mit seinem Herrchen, einem Maler, dem das Haustier mal Trost, mal Inspiration ist. Toby hüpft fröhlich umher, während sich der Künstler mit kreativen Blockaden abplagt, die gerne mal durch den Vierbeiner spielend gelöst werden. Das tierische Glück scheint gestört, als eine zerzauste Katze auftaucht, die Toby als Bedrohung seines Reviers empfindet. Der ungebetene Gast lässt sich noch verjagen, aber weniger leicht abzuschütteln sind die finanziellen Sorgen des Malers: Allerlei Mahnungen flattern ins Atelier, und nach einem ausgedehnten Strandausflug ist die Stromversorgung endgültig gekappt.

Grégory Panaccione: „Mein Freund Toby“.
Splitter Verlag, Bielefeld 2021. 144 Seiten. 19,80 Euro

Entsetzt bringt der Künstler diverse Werke zum Verkauf. Als die Katze erneut auftaucht und Toby zur Attacke bläst, geht der Künstler schließlich dazwischen. Die Katze trägt ein Namensschild und wohnt in der Rue de la Parma. Die Besitzerin entpuppt sich als gut betuchte Schriftstellerin, die das Leben des Malers für immer verändern wird.

Grégory Panaccione setzte schon mit dem wunderbaren „Ozean der Liebe“ – wo der „alte Knacker“ Wilfrid Lupano noch das Szenario besorgte – ein gehöriges Ausrufezeichen: Ganz ohne Worte, in gefühlvollem Duktus und mit schönen Wasserfarben entfaltete sich da die Lebens- und Liebesgeschichte eines ungleichen Paares. Bei „Minivip & Supervip“ schlug Panaccione dann eher in die Cartoon-Kerbe des Herrn Rossi auf Glückssuche, aber bei seinem Soloausflug „Mein Freund Toby“, für den er nicht nur den Pinsel, sondern auch den Storystift schwingt, führt er einmal mehr durch eine auf den ersten Blick einfache Geschichte, die ohne Worte auskommt – und das ist immerhin, wie schon der legendäre deutsche Stummfilm-Drehbuchautor Carl Mayer unter Beweis stellte, die höchste Vollendung der visuellen Kunst.

Die Unbeschwertheit von Toby wandelt sich ebenso wie die Stimmungslagen des Künstlers, dessen Schicksal sich im Laufe der Zeit immer weiter verdüstert und dann durch einen Akt der Menschlichkeit – Rückgabe des vermissten Haustiers – zu einem neuen Leben führt, das abermals künstlerischer Natur ist. In einer einzigen Szene, in der Text zu erkennen ist, sehen wir die Namen der Protagonisten: Auf dem gemeinsam geschaffenen Bildband „Über Stöcke und Steine“ erscheint Martine de Basquerville (ein Schelm, wer Hundehalter dabei denkt) als Autorin und Marcel Costé als Illustrator – man findet sich beruflich und privat, während Toby sein Trauma vom Stöckchenholen überwindet. Ein wunderbar ruhiges, elegisches und herzerwärmendes Stück Comic-Kunst, das bei Splitter gewohnt hübsch aufgemacht im Bookformat als Hardcover erscheint.

Dieser Text erschien zuerst auf Comicleser.de.

Holger Bachmann ist Autor diverser Bücher und Aufsätze zur Film- und Literaturgeschichte. Neben Comicleser.de schreibt er auf kühleszeug.de über Konzerte und geistvolle Getränke.

Seite aus „Mein Freund Toby“ (Splitter Verlag)