Mit „Vogelschiss“ legt das Guano Project rund um Autorin Frauke Bahle und Illustrator Julian Waldvogel einen für Jugendliche spannend erzählten Comic gegen rechts vor, welcher als Anleitung zu zivilem Ungehorsam gelesen werden kann. Einem Kölner Tatort zur Themenwoche Rechtspopulismus nicht unähnlich, entwickelt der Comic für ein erwachsenes Publikum womöglich nur begrenzt Spannung. Nichtsdestotrotz motiviert er auf ganzer Linie gegen die wachsende Gefahr von rechts anzugehen. Die Stärke der Story sind die über 100 Zitate von AfD-Mitgliedern und anderen Rechtspopulisten.
„Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. Sieg Heil!“, schrieb Marcel Grauf, AfD-Mitarbeiter und Referent von Dr. Christina Baum und Heiner Merz, 2018 in einem Facebook-Chat. „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, äußerte der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland auf einem Bundeskongress im Juni 2018. Wie kann eine Partei mit solch einer abscheulichen, antihumanistischen Gesinnung in deutschen Parlamenten vertreten sein? Diese und ähnliche Fragen haben sich auch die Macher*innen des Guano Projects gestellt, als sie die Geschichte von Eleni und Rudi auf den Weg brachten.
Eleni ist politikverdrossen. Als freischaffende Grafikerin und alleinerziehende Mutter hat sie schon genug um Ohren, als sich auch noch mit dem politischen Zirkus auseinanderzusetzen, schließlich seien ihre Mitbürger clever genug, sodass sich in Deutschland niemals wieder eine faschistische Partei durchsetzen werde. Ihr bester Freund Rudi ist da ganz anderer Meinung und schildert ihr die Mechanismen, mit denen die AfD erfolgreich auf Stimmenfang geht. Als dann Elenis Nachbar einen Anschlag verübt, bei dem mehrere Menschen ums Leben kommen, er seine Tat in einem Bekennervideo mit vulgären AfD-Phrasen rechtfertigt, ändert sich ihre Einstellung schlagartig. Zusammen mit Rudi beschließt sie, mit diversen Guerillaaktionen gegen die Partei vorzugehen. Womit die beiden nicht gerechnet haben, sind die aggressiven Gegenreaktion der Rechtsextremisten.Die Charaktere bleiben ihrer Funktion untergeordnet und recht exemplarisch: Die alleinerziehende Mutter, der resignierte Alt-68er, der nicht anecken wollende Vater und der fordernde Exmann. Hieraus entstehen sehr lebensnahe Szenen, in denen der Umgang mit der AfD verhandelt wird. Auch das Beispiel des Umgangs mit einem Sportfunktionär im Fußballverein, der die Mannschaft finanziell unterstützt, dafür aber sein Weltbild in den Verein tragen will, verdeutlicht die allgegenwärtige Problematik.
Stilistisch ist das Terror-Drama simpel und präzise gezeichnet. Die Panels sind, bis auf die Darstellung des Attentäters und einiger AfD-Funktionäre, ohne viel Detailtiefe im Hintergrund sehr reduziert umgesetzt, was die Ausdruckskraft aber nicht mindert. Der Stilbruch führt dazu, dass die Zeichnungen etwas von Karikaturen haben, wodurch sich die Figuren der AfD-Führung den realen Vorbildern zuordnen lassen. Die rot hervorgehobene Nazisymbolik, die in Brauntönen dargestellten Faschisten und die blau gesetzten Zitate pointieren zudem die Aussageabsichten der Story, ohne den Lesefluss allzu sehr auszubremsen.
Besonders großartig ist, dass ein Teil der Einnahmen an antifaschistische NGOs gespendet wird. Vor diesem Hintergrund und der Umsetzung durch ein fünfköpfiges Projektteam ist auch der Preis von 24 Euro zu rechtfertigen, der sich allerdings mit Blick auf die Zielgruppe als kontraproduktiv erweisen könnte (Wie wäre es mit einer digitalen Gratisversion für Schüler*innen nach dem Break?).
Wie dem auch sei, das Guano Project schafft mit „Vogelschiss“ einen soliden Comic, der in seiner motivierenden und aufklärerischen Art nicht nur, aber besonders als Schullektüre zu empfehlen ist. Denn er ist vorbildliche Präventionspädagogik für eine bessere Welt und davon kann es nicht genug geben.