Der mit dem Vorschlaghammer tanzt

© Paramount Pictures Germany

Sein mächtiger Hammer ist das besondere Kennzeichen des von Marvel-Gott Stan Lee geschaffenen Superhelden mit Namen Thor. Mit seinem beeindruckenden Utensil macht er im Himmel der nordischen Götter kaputt, was sich ihm in den Weg stellt. Das führt der Film in einer so humor- wie endlosen Eingangssequenz vor. Darin bricht Thor mit seiner Bande wackerer Krieger über den Bifrost auf in Richtung des Gefrierschrankplaneten Jotunheim. Dort rast und wütet er im digital-verwaschenen Graublau und jagt einer heranjagenden Bestie den Hammer deep in die throat.

So könnte das Leben des gewaltigen Schwellkörpers Thor (gespielt vom Australier Chris Hemsworth) in Kampf und Krieg weitergehen, hätte nicht der im Lauf seines langen Lebens zum Pazifisten gereifte Vater Odin (gut versteckt hinter Bart und wallendem Haar: Anthony Hopkins) etwas dagegen. Zur Strafe für seinen kämpferischen Übermut wird Thor, von allen göttlichen Kräften und seinem Hammer verlassen, auf die Erde geschickt. Dort knallt er der übereifrigen Wurmlochforscherin Natalie Portman (tut zu viel) und ihrem skandinavienhalber dazu gecasteten Kollegen Stellan Skarsgård mitten im schönsten Tornado aufs Auto.

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Es folgen lustige Konfrontationen mit der Bundespolizei, gegenseitiges Kennenlernen im Kampf mit einem feuerspeienden Metallmonster und als üblicher Esoquatsch die Versöhnung modernster Quantenphysik mit nordischer Yggdrasil-Kunde. Weil wir uns im Adoleszenzgebiet des klassischen Superheldentums befinden, gelangt die Romanze zwischen dem blonden Hengst Thor und dem brünetten Schwan Jane Foster über einen einzigen, tief empfundenen Kuss im Kornkreis nicht hinaus, obwohl Thor da seinen Hammer längst wieder ausgepackt hat.

Während Regisseur Kenneth Branagh in Asgard und Jotunheim droben allen Ernstes glaubt, Shakespeare spielen zu müssen, macht er zum irdischen Thor vor allem Fisch-auf-dem-Trockenen-Scherze. Was sich im Himmel und auf Erden gleich bleibt, ist die aus unerfindlichem Grund wie bei Heinz Emigholz schräg gegen den Horizont gekippte Kamera. Statt wie bei Emigholz avancierte Architektur gibt es in „Thor“ aber nur eine Art Westerndorf in der Wüste, das einen schmerzlich an den so viel großartigeren „Rango“ erinnert. Erst recht sagenhaft hässlich ist, was sich die Grafiker zu den CGI-Welten des nordischen Mythenhimmels à la Marvel so dachten. Offiziell ist „Thor“ außerdem in 3-D, aber nur, weil man das jetzt so hat.

Auf den ersten Blick passt der Regisseur hier zum Gegenstand: Kenneth Branagh, der wenigstens nicht selbst mitspielt, hat stets noch mit dem Vorschlaghammer Regie zu führen verstanden. Gewiss donnert er nun in den digitalen Himmeln des Nordens und streut auf Erden slapsticknahe Komik dazwischen. Nur filmt und schneidet er verlässlich ohne Sinn für Kadrierung und Tableaus, für Rhythmus und den richtigen Ton. Und findet im rastlos wütenden Komponisten Patrick Doyle doch seinen hammermusikalischen Meister.

Diese Kritik erschien zuerst am 27.04.2011 in der taz.

Thor
USA 2011

R: Kenneth Branagh – B: Ashlez Miller, Zack Stentz, Don Payne – P: Kevin Feige – K: Haris Zambarloukos – Sch: Paul Rubell – M: Patrick Doyle – D: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Anthony Hopkins, Ray Stephenson, Tom Hiddleston – V: Paramount Pictures – L: 130 Min – FSK: 12 – Kinostart: 28.04.2011

Ekkehard Knörer, geboren 1971, in Würzburg, Austin (Texas) und Frankfurt (Oder) Deutsch, Englisch, Philosophie, Kulturwissenschaften studiert. Promoviert zur Theorie von Ingenium und Witz von Gracián bis Jean Paul. Von 1998 bis 2008 die Filmkritik-Website Jump Cut betrieben. Texte zu Film, Theater, Literatur für Perlentaucher, taz, Freitag, diverse andere Medien. Seit 2012 Redakteur, seit 2017 auch Mitherausgeber des Merkur. Ebenfalls Mitherausgeber des Filmmagazins Cargo.