Pierre Christin (1938–2024)

Der Autor von „Valerian und Veronique“ ist im Alter von 86 Jahren gestorben.

Er war neben René Goscinny der wichtigste französische Comicautor: Pierre Christin, u. a. Schöpfer der kanonisierten europäischen Klassiker „Valerian und Veronique“ und „Legenden der Gegenwart“ (darunter „Treibjagd“), ist am 3. Oktober im Alter von 86 Jahren gestorben.

Viel Unfug ist im Zuge der Lancierung des Begriffs Graphic Novel über den Comic verbreitet worden – dass er nun erwachsen geworden sei, weiterhin dämlichste Feuilleton-Phrase. Tatsächlich waren es Künstler wie u. a. Christin, die dem Comic in Frankreich zur hierzulande immer noch geneideten Reputation verhalfen. „Valerian und Veronique“, gezeichnet von Jean-Claude Mézières, debütierten 1967 zunächst unscheinbar im „Pilote“-Magazin, heute werden sie als geradezu monolithische frankobelgische SF-Klassik verehrt.

Ihr Impact auf die Popkultur war enorm: Dass sich George Lucas für sein „Star Wars“-Universum maßlos an der Serie bediente, ist längst kein Geheimnis mehr. Luc Bessons Verfilmung aus dem Jahr 2017 verabreichte den beiden Figuren einen weiteren Popularitätsschub. Christin und Mézières entwickelten keine simple Space Opera, sondern übertrugen auf zeichnerisch wie erzählerisch höchstem Niveau gesellschaftspolitische Aspekte in doppelbödige Abenteuer für ein jugendliches Publikum, dem sie die Konfrontation bspw. mit der Angst vor der Atombombe oder dem ökologischen Kollaps ohne weiteres zutrauten.

Politik blieb Christins (der auch einen Lehrstuhl für Journalistik an der Universität zu Bordeaux leitete) Steckenpferd. Ab Mitte der 1970er realisierte er gemeinsam mit Enki Bilal die „Legenden der Gegenwart“, abgeschlossenene Alben mit wechselnden Themen. Höhepunkt war 1983 der Politthriller „Treibjagd“ (vorveröffentlicht im besagten „Pilote“-Magazin; ganz schön frühreif für ein Medium, dem man immer noch jovial die Volljährigkeit attestiert), ihr bemerkenswertestes Projekt, in dem sie die Korruption des Sozialismus mit den Mitteln einer eiskalten Ästhetik ins (narrative) Bild setzen.

Dass sich in Christins Spätwerk eine Comibiografie über George Orwell findet, nimmt nicht wunder: Orwells Weg vom überzeugten Sozialisten zum Kritiker der Conditio humana gleicht in Teilen Christin selbst, Wanderer zwischen den Systemen, der er war: Während des Kalten Kriegs bereiste er oft sowohl die USA als auch den Ostblock und zeigte sich von beiden Welten gleichermaßen fasziniert wie schockiert. Seinen Ambivalenzen kann man in seiner Comicautobiografie „Ost – West“ nachspüren, in der er seine Karriere rekapituliert.

Abb. oben © Carlsen Verlag