Frankobelgische Klassik: Nach Bob Morane reanimiert der französische Star-Autor Christophe Bec mit Bruce J. Hawker einen weiteren belgischen Abenteuer-Comic-Helden.
Zurück nach England! Ende August 1803 darf der junge Kommandant Bruce J. Hawker nach einer kurzen Begegnung mit Lord Nelson in der Bucht von Gibraltar wieder mit seinem Schiff in heimatliche Gefilde aufbrechen. Doch schon bald treffen sie auf offener See auf eine feindliche spanische Fregatte. Zwar entscheiden die Engländer das Gefecht knapp für sich, doch geraten sie anschließend in einen schweren Sturm. Nur Hawker und zwölf weitere Männer überleben und werden von einem unbekannten Schiff gerettet. Dessen Kapitän, Maximilian von Lazowski, sperrt die Schiffbrüchigen in den Laderaum, denn er verfolgt mit ihnen einen bestimmten Plan. Der führt ihn und seine ebenfalls an Bord befindliche Auftraggeberin, die Comtesse de la Rochefoucauld, zu einer kleinen unbewohnten Insel vor Nova Scotia, tief im Osten Kanadas.
Das Seriendasein des Lieutenant Bruce J. Hawker währte zwar immerhin zwanzig Jahre, von 1976 bis 1996, doch erschienen in dieser Zeit lediglich sieben Alben. Dieie ersten Episoden schrieb William Vance selbst, holte sich aber später den versierten Szenaristen André-Paul Duchâteau (u. a. „Rick Master“, „Die Draufgänger“) an Bord, ehe er seinen Seemann aufgab und sich ganz dem Bestseller „XIII“ widmete. Bei uns brachte der Carlsen Verlag ab 1989 die ersten sechs Alben heraus, ehe Kult Editionen mit dem siebten und letzten Band die Serie vervollständigte. Bei Splitter erschien die Reihe dann in zwei dicken Sammelbänden inkl. Zusatzmaterial als Gesamtausgabe. Jetzt ergeht es dem Lieutenant Hawker wie auch anderen seiner klassischen frankobelgischen Helden-Kollegen: Er wird von einem frischen Team auf neue Abenteuer geschickt, wie bereits auch Rick Master, Bruno Brazil und Buck Danny.
Das neue kreative Duo besteht aus Autor Christophe Bec, der auch gerade Bob Morane neues Leben einhaucht und dessen hiesige verlegerische Heimat schon lange der Splitter Verlag ist, und dem Spanier Carlos Puerta, bei uns zuletzt vertreten mit „Der Rote Baron“, erschienen bei Panini. Der Plot in „Die neuen Abenteuer von Bruce J. Hawker“ ist als Zweiteiler angelegt, wobei Bec diverse Mythen und Legenden aufgreift, diese verknüpft und ergänzt, um damit das Motiv Lazowskis und der Comtesse zu konstruieren: Dazu gehört der Prolog um die Tempelritter, die Insel Oak Island vor Nova Scotia, auf der seit über 100 Jahren nach einem diffusen Schatz gegraben wird, wie auch Rosslyn Chapel bei Edinburgh – aus der Ferne lässt Dan Brown grüßen. Hawker wird dabei mitunter zur Nebenfigur, dennoch verfolgt er einen eigenen Plan – immerhin sind er und seine Leute Gefangene und Zwangsarbeiter. Bis es zu einem explosiven Finale mit abschließendem Cliffhanger kommt.
Wie bereits bei „Der Rote Baron“ legt Carlos Puerta seine Zeichnungen verblüffend fotorealistisch an, wobei er seiner Hauptfigur zwar die gewohnt schlohweiße Haarpracht verpasst, ihr aber unverwechselbar die Züge des schottischen Schauspielers Sam Heughan verleiht, der als Jamie Fraser in der TV-Serie „Outlander“ bekannt wurde. Trotz dieses Realismus wirken Gesichter und Mimiken nicht steif. Die Schiffsansichten sind eine Augenweide und später, als sich das Geschehen an Land verlagert, ebenso die Landschaften. Der Stil erinnert etwas an Antonio Hernández Palacios („Mac Coy“, „Manos Kelly“). Bis zur Fortsetzung ist Geduld gefragt – Band 2 ist auch in Frankreich noch nicht erschienen.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Christophe Bec (Autor), Carlos Puerta (Zeichner): Die neuen Abenteuer von Bruce J. Hawker. Band 1 • Aus dem Französischen von Harald Sachse • Splitter Verlag, Bielefeld 2025 • 64 Seiten • 18 Euro
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.