Crowdfunding hat sich in den letzten Jahren durchaus bewährt. Projekte, die anders nie zustande gekommen wären, werden mithilfe von Geldversprechen anderer Menschen über das Internet möglich gemacht, wobei das Geld in der Regel nur fließt, wenn eine vorher festgesetzte Summe geknackt wird. Auch im Comic-Bereich gibt es einige Positivbeispiele, meistens von Künstlern, die etwas in Eigenregie verwirklichen wollen, oder kleineren Verlagen.
Hierzulande gab nun allerdings ausgerechnet der Hamburger Carlsen Verlag – Heimat von „Tim und Struppi“, den „Peanuts“ und „Attack on Titan!“ – bekannt, künftig ebenfalls eine Crowdfunding-Plattform nutzen zu wollen, um gedruckte Luxus- und Liebhaber-Ausgaben durch interessierte Leser vorzufinanzieren. „Graphic/atessen“ heißt das Projekt, das am 1. September offiziell startet, und los geht es mit einer Hardcover-Ausgabe der deutschen Comic-Produktion „Alisik“ von Hubertus Rufledt und Helge Vogt im Schuber, und einer Deluxe-Koch-Box der kulinarischen Comics von Guillaume Long. Wie für Crowdfunding-Plattformen üblich, gibt es auch bei Carlsens System nach Beitragshöhe gestaffelte Anreize für die Geldversprechen, z. B signierte Drucke, Dankeskarten oder Original-Artwork – oder Thermobecher und Poster.
In der Graphic/atessen-Pipeline stehen bereits eine Luxusausgabe für Xavier Dorisons („Undertaker“) und Mathieu Lauffrays („Prophet“) grandiosen Piratencomic „Long John Silver“, ein Skizzenbuch zu „Blake und Mortimer“, der Bildband „Spirou und die Moderne“ sowie „Comickunst für die Wand“, eine Mappe mit Siebdrucken von deutschen Künstlern wie Flix („Schöne Töchter“), Jens Harder („Alpha“), Reinhrard Kleist („Der Traum von Olympia“) und Uli Oesterle („Hector Umbra“).
Tja, und wie finden wir das jetzt? Freuen wir uns über die Möglichkeit, auch bei einem großen Verlag mehr oder weniger aktiv mitwirken und mitbestimmen zu können? Hoffen wir auf ein offeneres Ohr für Extrawünsche und Spezialausgaben ganz besonderer Lieblings-Comics? Staunen wir ob dieser Verbindung von digitalen Möglichkeiten und bibliophilem Verständnis? Oder finden wir es fragwürdig, dass ein Konzern dieser Dimension schicke Luxusausgaben für Hardcore-Sammler nur über einen solchen Weg und die damit verbundene Sicherheit kalkulieren mag und kann? Das „No risk, no fun!“, das auf der Graphicatessen-Startnext-Seite ausgegeben wird, mutet auf alle Fälle seltsam an. Denn das verlegerische Risiko ist doch eher überschaubar, ohne dass das jetzt gleich den Enthusiasmus oder das Engagement der Carlsen-Crew torpedieren soll.
Schauen wir mal, was für luxuriös-leckere Graphic/atessen in naher Zukunft auf diese Weise realisiert werden und ob es sich bewährt – und wann andere Verlage auf den Zug aufspringen.
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