Auf der Suche nach den Produzenten einer heimtückischen, neuen Droge verschlägt es Agent 007 alias James Bond ausgerechnet nach Berlin, eines der ehemaligen Epizentren des Kalten Krieges. Sind es wirklich die brutalen Schergen der Al-Zein, die hinter dem tödlichen Gift-Cocktail und seiner Verbreitung stecken? Und wo genau fügt sich der aalglatte, serbische Kybernetik-Experte Slaven Kurjak in das Puzzle der Gewalt?
Statt geschüttelten Martinis in exklusiven Privatclubs schlürft die Bond-Inkarnation aus der Feder von Kult-Autor Warren Ellis (Transmetropolitan) lieber feinsten Bourbon, den er sich stilecht von tätowieren Hipstern in Kreuzberger Szene-Bars servieren lässt. Und dank der deutschen Außenstelle des MI6 bleibt dem raubeinigen, vernarbten Superagenten auch der hohe Kaffee-Standard unserer Hauptstadt nicht lange verborgen. Dieser James Bond entfernt sich erstaunlich weit vom über Jahrzehnte durch Hollywood etablierten Bild des versnobten Gentleman. Als Mixtur aus Ian Flemmings deutlich weniger charmantem, ursprünglichem Romanhelden und neuen, stylisch-modernen Einflüssen vergisst 007 dabei auch nicht, einen Blick auf seinen zeitgenössischen Erben Jason Bourne und dessen deutlich temporeicheren und brutaleren Inszenierung zu wagen. Auch wenn das sicher nicht jedem Traditionalisten und Fanboy gefallen wird, schafft die großzügige Frischzellenkur viel Raum für erzählerische und grafische Experimente.
Stil und Eleganz kommen bei der Präsentation von „Vargr“, dem ersten Band der ursprünglich beim US-Verlag Dynamite erschienenen 007-Comics zuallererst. Ellis charakteristische, seitenlange und wortlose Action-Sequenzen, der großzügige Einsatz von Rasterfolie zur Schattierung und grelle, einfarbige Hintergründe sorgen für gebührendes Hochglanz-Flair. Auch wenn „Batman Inc.“-Zeichner Jason Masters über kein gewaltiges Repertoire an Gesichtsausdrücken zu verfügen scheint und die sehr klassische, dezente Kolorierung nicht besonders eindrucksvoll daherkommt, weiß das optische Gesamtpaket durchaus zu gefallen und bietet der dynamischen Action eine würdige Bühne.
Tödliche Designer-Drogen und kybernetische Psycho-Killer zeugen von der Tatsache, dass die modernen Ausflüge von James Bond in das Medium Comic weit mehr sind als der Versuch, den schnellen Dollar mit der populären Lizenz zu machen. „Vargr“ ist herrlich überzeichnet, schroff, dreckig und erschafft einen angenehm eigenständigen Agententhriller. Dieser neue Bond macht viel Lust auf mehr und wird insbesondere Fans der Werke von Warren Ellis nicht enttäuschen. Arg konservative Film-Agenten-Fans sollten sich aber bewusst machen, dass die Inspiration hier eben Flemings ursprüngliche Romanfigur war und nicht seine stark romantisierte Hollywood-Version.
Warren Ellis, Ian Fleming, Jason Masters: James Bond 007 – VARGR (reguläre Edition). Splitter, Bielefeld 2016. 144 Seiten. 19,80 Euro
Warren Ellis, Ian Fleming, Jason Masters: James Bond 007 – VARGR (limitierte Edition). Splitter, Bielefeld 2016. 176 Seiten. 34,80 Euro