Eigentlich hätte „Ikarus“ ein Werk von wahrlich epischem Ausmaß werden sollen. Die nun vorhandenen knapp 300 Seiten sind nichts gegen die 10.000, die es sein sollten. Die Geschichte machte dabei eine enorme Transformation durch. Was Moebius plante und entwarf, ist nur noch entfernt mit dem verwandt, was Jiro Taniguchi daraus gemacht hat. Denn nach Entwicklung des Szenarios war es der Japaner, der sich der Umsetzung annahm und die Geschichte nach seinen eigenen Ideen formte.
Wie weit sie von Moebius entfernt ist, kann man im Bonusteil des Buches nachlesen, da der französische Autor dem Journalisten Numa Sadoul Rede und Antwort steht, wobei er genauer darauf eingeht, wie „Ikarus“ hätte sein sollen.
In der jetzigen Form ist es die Geschichte eines jungen Mannes, der direkt nach seiner Geburt fliegen kann, weswegen er in die Fänge einer Regierungseinrichtung gerät, die den Icaro untersucht, analysiert, studiert und für ihre eigenen Zwecke nutzen will. Doch Icaro wird flügge. Er verliebt sich – und er entwickelt einen eigenen Willen.
Die Kollaboration von Moebius und Taniguchi ist großartig. Man erkennt Einflüsse von Otomos „Akira“, der wiederum von Moebius‘ frühen Arbeiten inspiriert wurde. Generell ist der europäische Einschlag in der Geschichte spürbar. Im Ergebnis bedeutet dies die perfekte Synthese aus frankobelgischem und japanischem Comic. Ein lesenswerter Comic in einer edlen Veröffentlichung!
Moebius, Jiro Taniguchi: Ikarus. Schreiber & Leser, Hamburg 2016. 312 Seiten, € 24,95