Gilles Chaillet, der dem antiken Rom mit seinem Buch „Das Rom der Kaiserzeit“ ein beeindruckendes Denkmal gesetzt hat, träumte von einem Großprojekt der Neunten Kunst. Ihm schwebte eine dreizehnbändige Reihe vor, die mit den trojanischen Wurzeln beginnen und in ferner Zukunft enden sollte. Welche, wenn nicht die ewige Stadt, bot sich für ein solches Vorhaben an?
Aber Chaillet erlebte die Verwirklichung dieses Traums nicht mehr, aber andere Autoren und Zeichner griffen die Vision des Künstlers auf. Eric Adam, Pierre Boisserie und Didier Convard sind die Autoren von „Roma“, das von wechselnden Zeichnern betreut wird. Im ersten Band geht es um die Geschichte Trojas und wie die Überlebenden auf den sieben Hügeln Italiens eine neue Stadt gründeten. Es gibt ein verbindendes Element, das Palladium, das göttlichen Ursprungs ist. „Der Fluch“ heißt die erste Geschichte und konzentriert sich auf die mythologischen Erzählungen rund um die Geburt der ewigen Stadt. Mittlerweile sind auch zwei weitere Bände erschienen, die zeitlich große Sprünge machen, aber immer auch das Palladium zu bieten haben.
„Roma“ ist aber längst nicht die einzige Serie, die sich mit der römischen Antike befasst. Gerade erlebt das Genre eine Renaissance, nachdem es lange Zeit nur Jacques Martins „Alix“ war, der als Ehrenrömer seine Abenteuer erlebte. Die wurden auch fortgesetzt, nachdem Martin verstarb. Und mehr noch, bei Splitter erscheint auch das Sequel „Alix Senator“, das sich mit dem älteren Alix befasst, der in nicht minder spannende Abenteuer verwickelt wird. Der Zeichenstil ist hier jedoch ein gänzlich anderer, reifer, erwachsener. Martins Werk wohnt eine gewisse Unschuld inne. Komplett liegt „Alix“ bislang nicht in deutscher Sprache vor, aber das ändert sich nächstes Jahr – vielleicht. Denn Egmont hat eine Gesamtausgabe angekündigt, die aber erstmal nur die Alben von Jacques Martin enthalten soll.
Schon einmal veröffentlicht wurde „Murena“, das bei Splitter seit September in einer Gesamtausgabe erscheint, deren erste beiden Bände den ersten Zyklus beinhalten. Der zu früh verstorbene Jean Dufaux erzählt zusammen mit Zeichner Philippe Delaby von Nero, aber auch von der fiktiven Figur Lucius Murena, der erst ein Freund des Kaisers, später ein erbitterter Gegner ist. Es eine faszinierende Mixtur aus Fakt und Fiktion, die Dufaux hier präsentiert.
Schon etwas betagter ist „Vae Victis“, das von 1991 bis 2006 in Frankreich erschien und in Deutschland zuerst beim alten Splitter Verlag und später bei Kult Editionen publiziert wurde. Simon Rocca und Jean-Yves Mitton erzählen mit der Britannierin Boadicca als Hauptfigur, wie sie als Sklavin nach Rom kommt, sich befreit, historische Persönlichkeiten wie Caesar trifft und sich schließlich gegen die Römer stellt.
Bei Carlsen erscheint mit „Die Adler Roms“ eine andere, bemerkenswerte Serie. Hier wird nicht nur eine römische, sondern auch eine germanische Geschichte erzählt, denn eine der beiden Hauptfiguren ist Arminius.
Alles beginnt mit den Kriegen im Norden, bei denen Cherusker und andere Stämme verlieren. Als Geisel kommt der Fürstensohn Arminius nach Rom und wird dort wie ein Römer erzogen. Er wächst zusammen mit Marcus Valerius Falco auf und über die Jahre hinweg werden aus den Rivalen Freunde. Doch ihre Wege trennen sich. Jahre später wird Falco vom römischen Kaiser auf eine Geheimmission geschickt. Er soll in Germanien herausfinden, ob Arminius dem Römischen Reich noch immer treu ergeben ist.
Die von Künstler Enrico Marini geschriebene und gezeichnete Serie besticht durch ein sehr realistisches Dekor, glasklare Zeichnungen und eine packende Geschichte. Marini erzählt episch, wobei er mit einem großen Ensemble jongliert, aber immer eine genaue Linie verfolgt. Er zeigt ein Römisches Reich, das realistisch gestaltet ist und dementsprechend auch eine gewisse Dekadenz an den Tag legt, die besonders in Hinblick auf das, was man gemeinhin mit Erzählungen zur römischen Antike in Verbindung bringt, bricht.
Bei Panini erscheint „Die Expedition“, die auf vier Alben angelegt ist und ca. 30 vor Christus spielt, als ein Trupp von Legionären losgeschickt wird, um in Afrika ein mysteriöses Reich zu finden. Geschrieben wurde die actionreiche, aber etwas weniger substanzielle Serie von Richard Marazano. Schon im August erschien bei Panini zudem „Maxentius“, das im Jahr 532 spielt – zu einer Zeit also, als Rom schon in Dekadenz verfiel. Es kommt zum Aufstand, Feuer verheeren die Stadt und er Raubtierdompteur Maxentius soll herausfinden, wer dahintersteckt. Geschrieben wurde die Geschichte von Romain Sardou, während Carlos Rafael Duarte den Zeichenstift schwang.
Und natürlich darf man „Asterix“ nicht vergessen, der zwar witzig ist, aber auch seit Jahrzehnten das alte Rom hochleben lässt. Nur in einer Beziehung ist der Comic ebenso wie seine ernsthafteren Verwandten dem Comic-Traum von Rom erlegen, der wiederum von Hollywoods Traum von Rom genährt wurde: die Manschetten, die römische Soldaten in praktisch jedem Film und jedem Comic an den Unterarmen tragen, gab es nie.