Abschluss eines Epos – „Die Schiffbrüchigen der Zeit“

schiffbruch-zeit_01_coverIm Mai 2015 begann die Publikation des Science-Fiction-Klassikers „Die Schiffbrüchigen der Zeit“ von Jean-Claude Forest und Paul Gillon. Zu dem Zeitpunkt hatte Splitter schon etwa zwei Jahre an diesem Stoff gearbeitet. Mit der Veröffentlichung des zehnten Albums liegt die Reihe jetzt komplett vor.

„Als wir die Neuauflage der Schiffbrüchigen der Zeit 2013 auf der Buchmesse bei Glenat sahen, fragten wir diese sofort an! Die gesamte Serie wurde mit den neuen Covern auch von außen äußerst attraktiv gestaltet“, erklärt Horst Gotta. Man ließ sich Zeit, der Serie gebührend gerecht zu werden. Zudem andere langlaufende Serien erst zum Abschluss – oder näher an diesen heran – gebracht werden mussten.

 

Die Große Plage

 

Alles beginnt zum Ende des 20. Jahrhunderts. Eine verheerende Seuche, die Große Plage, ist über die Menschheit gekommen, das Überleben alles andere als fraglich, weswegen mehrere Menschen in Raumkapseln ins All katapultiert werden. Im Kälteschlaf sollen sie die Zeit überdauern und etwa ein Jahrhundert später die Erde neu bevölkern.

Doch Christopher Cavallieri liegt weit länger im Kälteschlaf. Erst ein Jahrtausend später wird er wieder geweckt. Es dauert nicht lange und Mara, die bei der Bergung dabei war, verliebt sich in Chris, aber der hat nur einen Gedanken: Valerie Hauréle, die wie er vor 1.000 Jahren in den Kälteschlaf ging. Beide kennen sich kaum, aber er fühlt sich ihr verbunden.

In eineschiffbruechigen_der_zeit_02r Galaxis, in der die rattenartigen Trasserer auf dem Vormarsch sind und menschliche Kolonien auslöschen, sucht er nun nach seiner Valerie. Und auch die Große Plage ist zurück.

 

Ein Epos

 

„Die Schiffbrüchigen der Zeit“ wurde von 1974 bis 1989 publiziert, der Grundstein der Geschichte wurde jedoch schon zehn Jahre zuvor gelegt. In dem kurzlebigen Magazin „Chouchou“ wurden die ersten neun Seiten veröffentlicht, zu mehr kam man aber nicht. Erst Jahre später gab es die Fortsetzung in „France Soir“, bevor Gillon, der ab dem fünften Band nicht mehr nur zeichnete, sondern auch die Szenarios verfasste, mit der Serie zu „Mètal Hurlant“ wechselte, wo sie mit ihrem erotischen Gehalt auch deutlich besser aufgehoben war.

Die Veröffentlichung in den 1970er Jahren ging recht zügig vonstatten, sieben Alben gab es bis 1979, nur die letzten drei Alben ließen länger auf sich warten, mit dem Abschluss, der gar fünf Jahre nach dem vorhergekommenem Album entstanden ist.

 

schiffbruechigen_der_zeit_06_seite_01In Deutschland

 

Ihre Erstveröffentlichung erlebten „Die Schiffbrüchigen der Zeit“ in der von Bastei publizierten Reihe „Topix – Comics der Spitzenklasse“. Als Heft, aber im Albumformat, sind die hier gebotenen ersten fünf Bände aber alles andere als das Gelbe vom Ei. Bastei entschied sich für einen Zweifarbdruck, der der phantasievollen Atmosphäre der Geschichte nicht wirklich gerecht wurde. Darüber hinaus beschied man, dass der Inhalt für das anvisierte jugendliche Publikum viel zu erotisch sei, weswegen ganze Seiten entfernt wurden.

Eine komplette Veröffentlichung begann erst 1988 im Carlsen Verlag. Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können, da im Verlauf der dreijährigen Publikation auch das zehnte Album erschien, so dass man 1991 auch gleich den Abschluss bieten konnte. Die Umsetzung war ansprechend, hatte man die Titel doch auch in der Edition ComicArt eingegliedert, die ein hochwertigeres Lesevergnügen für ein reiferes Publikum suggerierte.

 

Die Künstler

 

Jean-Claude Forest (1930-1998) begann seine Karriere bereits 1949, während er noch an der École des Arts et Métiers in Paris studierte. Es war eine Adaption von Robert Louis Stevensons „Der schwarze Pfeil“, mit der er debütierte. Sein größter Erfolg sollte einige Jahre später kommen, genauer: 1962. Forest entwickelte die Serie „Barbarella“, die Brigitte Bardot nachempfunden wurde – ein Vollweib, das sexy und freizügig ist und dabei die irrsten Science-Fiction-Abenteuer erlebte. Barbarella ließ wirklich nichts anbrennen, der sexy Comic verzichtete aber stets darauf, den Akt zu zeigen. Für Aufregung sorgte er dennoch und bildete 1968 auch die Basis für den gleichnamigen Film mit Jane Fonda, für den Forest auch das Art-Design entwarf.

schiffbruechige_der_zeit_07_900x12001964 gründete Forest das kurzlebige Magazin „Chouchou“. Später betätigte sich Forest vor allem als Autor, so auch für „Die Schiffbrüchigen der Zeit“, deren erste vier Alben er verfasste.

Sein Zeichner Paul Gillon (1926-2011) wurde vor allem durch seine erotisch angehauchte Science Fiction bekannt. Seine Karriere begann er gänzlich anders, im Alter von 14 Jahren, als er Karikaturen für verschiedene Zeitschriften zeichnete. 1947 begann Gillon für „Vaillant“ zu arbeiten. Er betreute verschiedene Serien und erschuf als Autor und Zeichner im Jahr 1950 den Comic-Roman „Fils de Chine“, der Mao Zedong porträtiert.

Gillon zeichnete von 1959 bis 1972 für „France Soir“ den Daily Strip 13, „Rue de l’Espoir“ und brachte es damit auf mehr als 4.000 Folgen. 1985 publizierte er den ersten Band seiner neuen Science-Fiction-Serie „Die Überlebende“, die 1991 mit dem vierten Kapitel abgeschlossen wurde.

 

Ein wildes Universum

 

Der Reiz von „Die Schiffbrüchigen der Zeit“ liegt weniger in der heute vielleicht schon etwas antiquiert wirkenden Erzählweise. Es sind vielmehr die vor Phantasie nur so sprühenden außerirdischen Schöpfungen, mit denen Forest, vor allem aber Gillon aufwarten. Die Idee, die Invasoren als eine Art Ratten zu zeigen, ist so simpel wie genial. Bei schiffbruch_10_lp_coveranderen Kreaturen setzt man indes auf weit mehr auf das Ungewöhnliche.

Hier wird eine Science-Fiction-Welt entworfen, die nicht so schön und stromlinienförmig wie bei den meisten Genre-Filmen ist. Vielmehr findet man ungewöhnliche Gestalten und merkwürdige Designs, die wirklich wie nicht von dieser Welt erscheinen. Wenn man einen Vergleich bemühen will. Brian K. Vaughns „Saga“ ist heute bei der Schaffung des Außergewöhnlichen so gut, wie es Gillon schon in den 1970er Jahren gewesen ist.

Andere Elemente sind etwas schlechter gealtert. Die Art, wie gerade Mara den Helden anschmachtet und schon nach wenigen Minuten weiß, dass sie unsterblich in ihn verliebt ist, ist weniger eine besonders glaubwürdige, als fast schon sexistisch einfache Darstellung. Sie wirft sich ihm auch geradezu an den Hals, während dieser nur von seiner Traumfrau schwärmt, die er vor 1.000 Jahren gerade mal 30 Minuten gesehen hat.

Hier muss man Zugeständnisse an veränderte Lesegewohnheiten machen, das funktioniert jedoch, denn „Die Schiffbrüchigen der Zeit“, dessen Titel im Original eine Hommage an Jules Vernes Roman „Die geheimnisvolle Insel“ („Les Naufragés de l’Air“ [Die Schiffbrüchigen des Luftmeeres]), ist spannende, actionreiche und auch erotische Unterhaltung. So schön wie Paul Gillon zeichnet kaum jemand nackte Frauen.

Aber es wäre müßig, die Reihe nur darauf zu reduzieren, ist dieses zehnteilige Epos doch eine Science-Fiction-Geschichte, wie sie phantasievoller und aufregender kaum sein könnte.