„Die schwarzen Moore“ – Schaurig schön

Schwarzen_Moore_kleinAntoine ist ein Fotograf, den ein Auftrag in das Aubrac geführt hat, einer kargen und von Mooren durchzogenen Hochebene im französischen Zentralmassiv. Fasziniert von Landschaft und Einsamkeit vergisst er die Zeit und wird von der Abenddämmerung überrascht. Zufällig findet er einen alten Wehrhof. Dessen Bewohner, der knorrige, abweisende Baptiste und seine attraktive Tochter Melody, gewähren ihm Obdach für die Nacht. Doch schon bald wird Antoine klar, dass beide einen gewaltigen Sprung in der Schüssel zu haben scheinen, den ein furchtbares Ereignis in der Vergangenheit verursacht hat. Während Baptiste in der Nacht in der Stube hockt und mit seinen Bluthunden und Flinte bewaffnet auf einen mysteriösen, ungebetenen Besucher zu warten scheint, schickt sich Melody an, den überrumpelten Antoine zu verführen und ihn für ihre durchaus nachvollziehbaren Zwecke einzuspannen. Doch wie Wasser sucht sich das Unheil seinen Weg. Vater und Tochter werden von der Vergangenheit eingeholt, während Antoine zum unfreiwilligen Zeugen eines Dramas wird.

In seinem neuen Band „Die schwarzen Moore“ (keine Serie!) zeigt Christophe Bec einmal mehr, dass er nicht nur epische Science Fiction (Prometheus) und Fantasy (Heiligtum) beherrscht. Wobei er die Pfade des Fantastischen nicht verlässt und eine unbekanntere Erzählung von Guy de Maupassant aufgreift („Die Angst“, 1882 erschienen), diese verändert, mit weiteren Motiven und erzählerischer Tiefe anreichert und so einen faszinierenden wie kompakten Ausflug in die Schauerromantik unternimmt. Während bei Maupassant der Erzähler, der Passagier auf einem Schiff ist, die Mär als Musterbeispiel für wahre und reine Angst berichtet, spendiert Bec der Handlung eine erklärende Vorgeschichte, die als Motiv und Auslöser des Verhaltens von Baptiste und Melody dient und deren genaue Umstände im Laufe der Handlung immer klarer werden. Auch typisch Bec: seine gigantischen, finsteren Bauten und Höhlen, seine apokalyptischen Landschaften, die er in seinen SF/Fantasy-Comics so gerne präsentiert, werden hier ersetzt durch die weite, faszinierende Ödnis des Aubrac, die nach der Vorgeschichte in breiten, seitenübergreifenden Panels im Cinemascope Format eingeführt wird und die ein idealer Ort – ähnlich der schottischen Highlands – für Storys rund um Geheimnisse und Unerklärliches darstellt. Dazu kommt der Hof von Baptiste, ein altes, kaltes Gemäuer, das eher einer mittelalterlichen Trotzburg ähnelt und voller finsterer Nischen steckt.

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Vater und Tochter sind Getriebene. Baptiste scheint einem Wahn verfallen zu sein, während Melody die Chance nutzen will und den unverhofften Besucher Antoine, der ausgerechnet in dieser Nacht auftaucht, als letzte Hoffnung sieht, ihrem Dasein zu entkommen. Ob der andere Besucher, den Baptiste erwartet und gleichsam fürchtet, tatsächlich existiert, bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Dazu trägt Bec bei, indem er im Laufe der ereignisreichen Nacht immer wieder fließend zwischen Realität, Wahnvorstellungen und Fantasie wechselt, inklusive einer unerwarteten, wie gelungenen Hommage an die Herren Wein und Wrightson. Schön auch, dass Bec hier wieder einmal die Zeichnungen selbst übernimmt. Er schafft realistische, großflächige Bilder, wobei neben den Personen seines Kammerspiels die weiten Landschaften und das alte, muffige Gehöft die Stars des Bandes sind. Dabei geht er gewohnt filmisch vor. Immer wieder streut er, wie mit schnellen Schnitten schummrige Panels ein, die Details wie ausgestopfte Vögel oder Figuren zeigen. Was der atmosphärischen Dichte natürlich weiter zuträglich ist. So liegt stets etwas Bedrohliches in der Luft. Die Landschafft ist unwirtlich, die Mauern schroff, die Menschen abweisend oder verstörend. Bald wird klar, dass hier niemand ungeschoren davon kommt. Am Ende ist der nächste Tag angebrochen, ein Alptraum ist beendet und die weite Cinemasope-Landschaft des Aubrac bereit für ein neues Drama.

Christophe Bec: Die schwarzen Moore. Splitter Verlag, Bielefeld 2016. 64 Seiten, 15,80 Euro