Der Kern von „Ghost in the Shell“ ist eine metaphysische Ebene, in der es um die Frage nach Identität, aber auch darum geht, was einen Menschen menschlich macht. Ist man noch ein Mensch, wenn alles, was vom Körper geblieben ist, ein Gehirn ist, das in einer künstlichen Hülle steckt?
Das wird aber in Rupert Sanders‘ Film eher nebenher abgehakt, ohne dem komplexen Thema allzu viel Beachtung zu schenken. Zudem hat man sich weit von Masamune Shirows Vorlage entfernt. Es ist der typische Hollywood-Fluch: Die Geschichte wurde simplifiziert, und das soweit, dass kaum noch etwas von dem vorhanden ist, was den Anime einst so großartig machte.
Kurz zusammengefasst, lässt sich sagen, dass der von Michael Pitt gespielte Schurke hohe Tiere der Firma Hanka Robotics ausschaltet, weswegen Major von Section 9 auf den Plan gerufen wird, um diese Mordserie aufzuklären und den Schuldigen zu überführen. Doch je näher sie ihm kommt, desto mehr findet sie auch über sich selbst heraus.
Es gibt durchaus Momente im Film, die noch daran erinnern, was inhaltlich eigentlich geboten wäre, wenn man sich näher an die Vorlage gehalten hätte. Die Szene, in der Batou darüber philosophiert, ob künstlich erschaffene Erinnerungen nicht genauso wahrhaftig sind, wie echte, wenn der Erinnernde sie nur glaubt, ist faszinierend. Hätte man den Film mehr in eine solche Richtung gedrängt, hätte vielleicht ein künftiger Klassiker á la „Blade Runner“ herauskommen können.
Aber in erster Linie interessiert man sich für die visuelle Pracht. Es ist eine Übung von Stil über Substanz, die hier dargeboten wird. Die Stadt mit ihren gigantischen Werbeflächen, die Kostüme, aber auch die Fahrzeuge – das alles schreit hinaus, dass hier ein Designer seiner Phantasie nicht nur freien Lauf lassen konnte, sondern sich richtig ausgetobt hat. Dazu kommt Scarlett Johansson, die als Major überzeugend ist.
Im Vorfeld gab es Geschrei, dass Hollywood mal wieder versuche, eine Geschichte per „whitewashing“ einem breiteren, vor allem westlichen Publikum zugänglich zu machen. Der Tenor mancher Gruppen im Internet war: Man hätte die Hauptrolle in „Ghost in the Shell“ mit einer Asiatin besetzen müssen.
In Japan sieht man das nicht so eng. Man hatte immer gedacht, dass keine Japanerin besetzt wird. Insbesondere, da die Ethnie der Figur irrelevant ist, geht es doch um die Natur des Menschen und sein Bild von sich selbst, das durch Cyborg-Körper, die den Geist verschiedener Menschen transportieren, völlig ad absurdum geführt wird.
Sam Yoshia, der Kopf von Kodansha, das die Rechte an dem Stoff hält, meinte zudem: „Wenn man sich ihre Karriere ansieht, dann ist Scarlett Johansson die beste Wahl. Sie verströmt dieses Cyperpunk-Gefühl. Und wir haben nie angenommen, dass eine Japanerin besetzt werden würde. Dies ist eine Gelegenheit, eine japanische Geschichte überall auf der Welt zu zeigen.“
Es funktioniert auch, weil die Stadt, in der die Geschichte spielt, ein multinationaler Moloch ist, in dem Beat Takeshi nur Japanisch spricht, aber ihn jeder versteht, in der die führende Wissenschaftlerin Französin ist und Majors bester Kumpel Skandinavier. Zudem behält sich der Film einen klitzekleinen Twist vor, der damit spielt, wer und was Major eigentlich ist – oder war.
So wenig „Ghost in the Shell“ inhaltlich auch überzeugt, so sehr weiß er optisch zu gefallen. Die Action ist durchgestylt. Jede Bewegung stimmt, alles ist auf das Maximum an Coolness ausgelegt und profitiert von der famosen Scarlett Johansson. Ist das Finale auch etwas mager ausgefallen, so gibt es ein Schlussbild, das Major wie eine Superheldin in Szene setzt und das Tor für weitere Filme öffnet. Vielleicht wäre es einer Fortsetzung dann ja möglich, etwas Tiefgang in den visuellen Overkill einzubringen.
„Ghost In The Shell“ läuft ab dem 30. März 2017 im Kino.
Ghost In The Shell (USA 2017). Regie: Rupert Sanders. Darsteller: Scarlett Johansson, Pilou Asbæk, Takeshi Kitano, Juliette Binoche, Michael Pitt, Chin Han, Danusia Samal
Bilder © Paramount Pictures