Das war der wilde Westen – „Apache Junction Band 3“

Apache_Junktion_03_kleinArizona im Jahr 1875: der Kavallerie-Kurier Roy Clinton ist gehörig zwischen die Fronten geraten. Die hübsche Ann Bentley, der er zu Hilfe eilen wollte, stellt sich als Witwe eines Waffenschiebers heraus, der die aufständischen Rothäute unter Führung von Schwarzer Wolf mit Nachschub versorgte und dabei seinen Auftraggebern einmal zu viel in die Quere kam. Die Apachen schnappen sich Anns Kinder als Geisel – als Gegenleistung für die Freiheit soll Ann die Indianer zu den verborgenen Gewehren und dem verschwundenen Geld führen. Eine wilde Irrfahrt durch die Prärie entbrennt, bei der sich nicht nur Kavalleristen unter Lieutenant Lovell, sondern ebenso Captain Owens Outlaw-Banden (die Anns Mann in Wahrheit auf dem Gewissen haben) und auch der eine göttliche Mission predigende Geronimo ein Stelldichein geben.

Hinter der mexikanischen Grenze, im Zufluchtsort Canon de los Embudos, kommt es zu einem Überfall, der die ungleichen Gefährten in alle Winde verstreut. Ann erreicht mühselig den Außenposten Apache Junction, wo sie mitsamt ihrem Gefährten Chinche erst im Kittchen landet, um auf den Sherriff zu warten, der draußen nach seinen Schäflein sucht. Um Haaresbreite entkommen Ann und Chinche dem verschlagenen Sallinger, der nichts anderes will als seinen Anteil der Beute. Unterdessen durchstreift Clinton – selbst ein Halbindianer vom Stamme des Schwarzen Wolfs – mit seiner verflossenen Liebe Nes-Chila die Prärie, immer auf der Flucht vor den Armeetruppen und den Lumpensöhnen, die die versteckten Waffen suchen. Und da ist auch noch Geronimo, der zur Erfüllung seiner vermeintlich göttlichen Sendung immer wieder ins Geschehen eingreift…

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Im dritten und abschließenden Band seiner Prärie-Saga (Band 1 und 2 liegen ebenfalls bei Splitter vor) entführt uns der Holländer Peter Nuyten erneut in eine atemberaubend inszenierte Western-Welt, die optisch und inhaltlich im Stile von Girauds Blueberry gehalten ist. Unglaublich akribisch-detaillierte, panoramahaft ausgebreitete Prärie-Ansichten kombinieren sich mit knorrigen Charakteren, die allesamt ihren eigenen Interessen nachgehen und keinesfalls in einfache Kategorien wie Täter und Opfer oder gar gut und böse fallen.

Nuyten, der schon in den ersten beiden Bänden seine historische Akkuratheit durch beigefügte Fotografien belegte, ergänzt auch dieses Album durch ein ausführliches Nachwort (inklusive Literaturverzeichnis!), in dem er betont, dass der „echte“ wilde Westen nie die Fiktion von heldenhaften Cowboys und bedrohten Indianern war, in die ihn das amerikanische Kino im Gefolge der Zirkusshows eines Buffalo Bill bewusst stilisierte. Vielmehr war diese epochale Landnahme gekennzeichnet von Egoismus, Unvorhersehbarkeit, Komplexität und Gewalt auf beiden Seiten, ergänzt durch eine Natur, die den Menschen mehr als einmal ihre Grenzen aufzeigte.

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Genau diesen Eindruck vermittelt die immer wieder aufgebrochene, fast schon episodische Erzählstruktur des Bandes: wie in einer Collage schwenkt Nuyten zwischen den versprengten Beteiligten, die allesamt von ihren eigenen, teilweise zweifelhaften und niemals vollständig ehrbaren Motivationen getrieben werden. Wie in einem waschechten Italo-Western gibt es – vielleicht mit Ausnahme der symbolischen Opfer, der Kinder – keinerlei durchgängig positiven Figuren. Die dominante Natur zeigt Nuyten dabei nicht nur in überwältigenden, an John Ford gemahnende Panoramen, sondern z.B. auch in symbolischen, fast schon filmischen Einblendungen einer Schlange, die als durchgängiges Leitmotiv die Unberechenbarkeit und Gefahr der handelnden Personen ebenso spiegelt wie die Macht der Natur. Somit entsteht ein eindrucksvolles Kaleidoskop einer allzu oft idealisierten Epoche, die hier realistisch und dennoch höchst spannend zum Leben erweckt wird.

Ein Interview mit Peter Nuyten zu „Apache Junction“ findet sich hier.

Peter Nuyten: Apache Junction 3: Der Unsichtbare. Splitter, Bielefeld 2017. 56 Seiten, EUR 14,80