Einem guten Freund kann man nichts abschlagen. Und wenn man Lucky Luke heißt, erst recht nicht. So willigt der Mann, der bekanntlich schneller schießt als sein Schatten, bereitwillig ein, als sein Kumpel, der Cowboy Jack Loser (nomen ist hier übrigens omen) ihn bittet, seine Familie in Saint Louis abzuholen und sicher nach Montana in ihre neue Heimat zu geleiten. Quasi als Ein-Planwagen-Trek. Was den vermeintlichen Routine-Job für Luke (und den Leser) interessant macht: Jack Loser heißt eigentlich Jakob Stern. Seine Auswanderer-Familie stammt aus dem Osten Polens und besteht aus gläubigen Juden. Luke ist also vorgewarnt, dass Familie Stern laut Jack zumindest „anfangs etwas komisch“ sei… In Saint Louis trifft er also auf Moishe und Rachel Stern und deren Enkel, die schüchterne Hanna und den aufgeweckten Jankel. Die übrigens alle glauben, dass Jack/Jakob ein angesehener Anwalt in New York ist. Noch im Hafen heften sich zwei Gauner der Truppe an die Fersen. Goliath und Ned (wie üblich: der eine groß und dämlich, der andere klein und verschlagen) haben es auf die uralte Tora abgesehen, aus der Jankel bei seiner Bar-Mizwa lesen soll.
Die Reise in den Nordwesten gestaltet sich dann auch für alle Beteiligten höchst kurzweilig. Familie Stern geht ganz wie von zuhause gewohnt ihrer Religion nach, die beiden Gauner scheitern bei ihrem Vorhaben natürlich stets bereits im Ansatz und Luke macht zu seinem Verdruss immer wieder Bekanntschaft mit den jüdischen Sitten und Gebräuchen. Will heißen: kein Essen, wenn es nicht koscher ist (man führt tonnenweise geräucherten Hering mit sich), absolute Ruhe am Sabbat (Freitagabend bis Samstagabend) und Einhaltung der Gebetszeiten. Womit wir zu den beiden Hauptmotiven gelangen, die die Motoren der Story bilden: zum einen hält der Roadtrip die Handlung auf Trab (im wahrsten Sinne des Wortes) und sorgt während der Reise für Abwechslung – neue Orte, neue Begegnungen – und damit für ständig neue Gefahren, wie ein Aufenthalt in der Gesetzlosen-Stadt Peachy Poy oder die Fahrt durch das Indianergebiet der Kri (Cree), die natürlich auf dem Kriegspfad sind. Der andere Motor ist der Clash der Kulturen: Luke als markiger Ur-Westerner trifft auf die jüdische Familie mit alter Kultur und Religion, was ständig Witz und Komik in die Geschichte trägt.
Und hierbei zeigen sich Morris-Nachfolger Achdé und sein neuer Autor Jul (Julien Berjeaut, der in Frankreich auch als Zeichner bekannt ist) von ihrer ganz starken Seite. Denn die Gags in „Das gelobte Land“, die natürlich in erster Linie die Gebräuche des Judentums zum Inhalt haben, sind weder plump noch flach noch stereotyp, sondern treffen immer den richtigen Schmunzel-Ton und sprühen dabei vor Witz (so führt ein Trapper namens Moses die Reisenden trocken über einen Fluss). Dazu gibt es einen kleinen Abriss über die Anfänge jüdischer Einwanderung in die USA, der ebenso humorvoll Hintergrundwissen vermittelt (von Einstein bis zu den Marx Brothers). Denn in jenen Tagen des Wilden Westens waren Juden – erst Recht religiöse – noch eine „Seltenheit“. Deshalb werden sie hier von den meisten für „Amische“ gehalten (Rauschebart, schwarze Kleidung), ein Running Gag, der sich durch den gesamten Band zieht. Etwas blass und wie Dreingaben wirken daneben die beiden Gauner mit ihren zum Scheitern verurteilten Versuchen. Und die Indianer Episode kommt etwas albern daher. Aber sei’s drum, der Band funktioniert ansonsten wie ein typischer „Lucky Luke“ und das passt – auch inklusive Star Wars Gag, der ein echter Brüller ist.
Jul, Achdé: Luky Luke, Band 95: Das gelobte Land. Egmont Comic Collection, Berlin 2017. 48 Seiten in Farbe, Hardcover, 12 Euro