30 Kritikerinnen und Kritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die in Presse, Rundfunk und Internet regelmäßig Comics, Mangas und Graphic Novels besprechen, stellen alle drei Monate eine gemeinsame Bestenliste zusammen.
Die Comic-Bestenliste – präsentiert von BuchMarkt, Comic.de, rbbKultur Radio und Tagesspiegel – orientiert sich in ihrem Erstellungsverfahren an der renommierten „SWR Bestenliste“ für Literatur.
Die Jurorinnen und Juroren, die am Ende der Seite aufgelistet sind, konnten bis zu vier Comic-Novitäten benennen, denen sie möglichst viele Leser und Leserinnen wünschen, und vergaben je einmal 15, 10, 6 sowie 3 Punkte. Hier folgen jetzt die zehn Bestplatzierten für die zurückliegenden Monate …
Maren Amini:
AHMADJAN UND DER WIEDEHOPF (Carlsen)
Hardcover, 240 Seiten, farbig, € 26,00, ISBN: 978-3-551-79971-5 • Leseprobe
Imke Staats in der Taz und auf Comic.de: „Fariduddin Attars Dichtung ist im Anhang auf Deutsch wiedergegeben. Das macht diese zweite Ebene der Erzählung leichter zugänglich und erlaubt Maren Amini, mehr auf pointierte Bilder als auf Text zu setzen. Ihre schwungvollen, reduzierten Zeichnungen stehen oft frei auf weißem Grund. Ihr Charme macht auch eigentlich Bitteres verständlich und erträglich: Das ist eine große Stärke. Die Figuren sind mit wenigen Strichen und viel Humor gezeichnet. Den Protagonisten erkennen wir an seinem Wuschelschopf: Ahmadjans Geschichte beginnt mit einer von Entbehrungen bestimmten Kindheit. Weil er früh seine Mutter verliert, wächst er bei Verwandten auf, von denen er sich nie richtig angenommen fühlt. ‚Sein Magen knurrte sehr… und sein Herz auch,‘ heißt es dort. Später im Buch wird der Schmerz dieser Zurückweisung durch eine winzige Sequenz wieder aufgegriffen, die klar macht, wie prägend er gewesen sein muss.“
ZEIT HEILT KEINE WUNDEN (Avant-Verlag)
Hardcover, 272 Seiten, farbig, € 30,00, ISBN: 978-3-96445-121-7 • Leseprobe
Susanne Schröder in der Jüdischen Allgemeinen: „Das Münchner NS-Dokumentationszentrum war von der Arbeit beeindruckt und beauftragte Hannah Brinkmann mit der Geschichte von Ernst Grube. ‚Wir möchten sein politisches Wirken nach 1945, also den Großteil seines Lebens, bekannter machen‘, erklärt Denis Heuring, der den Publikationsbereich des Zentrums leitet. Gerade am Beispiel von Grubes Biografie lasse sich zeigen, ‚wie schwer sich die BRD mit dem Umgang mit der NS-Diktatur tat, nicht zuletzt aufgrund der personalen Kontinuitäten im Gerichtswesen oder der Verwaltung‘. Um diese Kontinuitäten sichtbar zu machen, verknüpft Hannah Brinkmann drei Handlungsstränge miteinander: Zum einen die Kindheit Grubes und die Judenverfolgung in der NS-Diktatur. Dann die Nachkriegsjustiz der Bundesrepublik, für die ein junger Kommunist wie Grube ein Feindbild war. Gewissermaßen der Dreh- und Angelpunkt ist die Geschichte eines Richters, der im NS-Staat Karriere gemacht hatte und den 27-jährigen Holocaust-Überlebenden Grube 1959 wegen einer Flugblatt-Aktion für die verbotene Kommunistische Partei Deutschlands als ‚Staatsgefährder‘ zu eineinhalb Jahren Haft verurteilte. Neun Monate davon verbrachte Grube, der mit Glück das KZ überlebt hatte, in einem Bonner Gefängnis in Untersuchungshaft, vier davon in vollständiger Isolation.“
Emil Ferris:
AM LIEBSTEN MAG ICH MONSTER Band 2 (Panini)
Softcover, 420 Seiten, farbig, € 39,00, ISBN: 978-3-7416-3823-7 • Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Gerlinde Althoff • Leseprobe
Sven Jachmann auf DieZukunft.de: „Gebrochen durch die Perspektive der zehnjährigen Karen Reyes, erzählt das Gesellschaftspanorama eine Geschichte der Gewalt, die sich von Auschwitz bis zu den Chicago Riots 1968 erstreckt, vom staatlichen Antisemitismus und Rassismus und der Misogynie und Homophobie des Alltags Verbindungen zieht zur kathartischen Flucht in die Kunst, mehr noch in die Pulphefte, comic books und Horrorfilme, in denen sich in den 50ern das Trauma der Vätergeneration und das beredte Schweigen über die Barbarei des Nationalsozialismus den Weg zum Bild, zur Sprache erkämpfte. Dass all diese Themen – und es sind noch weitaus mehr – trotz sprunghafter Erzählweise nicht beliebig anmuten, liegt an der jungen Hauptfigur Karen, die eigentlich einen vermeintlichen Selbstmord ihrer Nachbarin, einer Holocaustüberlebenden, aufklären will und sich dabei immer tiefer in ihre eigene, von Armut und Ausgrenzung bestimmte Familiengeschichte verstrickt. Weil sie viele Zusammenhänge nur bedingt versteht und es am erwachsenen Publikum liegt, die Puzzleteile zu ordnen, wird die Drastik der Ereignisse einerseits narrativ gemildert, andererseits psychologisch erhöht. Auch für den Abschlussband gilt: ein Meisterwerk.“
Reinhard Kleist:
LOW Band 2 (Carlsen)
Hardcover, 176 Seiten, farbig, € 25,00, ISBN: 978-3-551-79363-8 • Leseprobe
Stephanie Grimm in der Taz: „Kleists Faszination für Bowies Alter Ego, die zum Finale der Biografie noch mal in den Fokus rückt, erklärt der Zeichner mit Parallelen zum eigenen Schaffen: Auch in seinen Comics gehe es darum, Kunstfiguren zum Leben zu erwecken. Dabei verzichtet er nicht auf den gern kolportierten Klatsch: etwa, wie Bowie seinen Mitbewohner Iggy Pop rausschmiss, weil der immer seine Delikatessen aus dem KaDeWe wegaß. Doch auch Erhellenderes gibt es zu entdecken: etwa, wenn unvermittelt die Karten aus den Oblique Strategies aufpoppen. Bowies Mitstreiter Brian Eno, der den Sound seiner Berliner Jahre mitprägte, hatte dieses Kartenset von Aphorismen und Instruktionen mitentwickelt – als Methode, kreativ vorankommen. Am schönsten ist „Low“ jedoch, wenn Kleist seine Fantasie von der Leine lässt. Und nebenbei der mythischen Überfrachtung humorvoll den Stecker zieht.“
Daniel Clowes:
MONICA (Reprodukt)
Hardcover, 106 Seiten, farbig, € 24,00, ISBN: 978-3-95640-439-9 • Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Matthias Wieland • Leseprobe
Hannah Pilarczyk auf Spiegel Online: „(Clowes) lässt Paranoiker auftreten, die Dämonen am Werke sehen, und religiöse Fanatiker, die obskuren Messiasfiguren huldigen. Clowes denunziert sie jedoch nicht als Freaks, sondern arbeitet heraus, dass sie letztlich nur uramerikanische Maxime wie den Glauben an unbedingte Selbstverwirklichung verinnerlicht haben – und diese in aller Extremität leben. Eine Mitte, die dem Irrsinn der Ränder etwas entgegenzusetzen hätte, gibt es in ‚Monica‘ nicht. Und wie die Wiederwahl von Donald Trump zeigt: in den USA auch nicht.“
Alessandro Tota:
DIE GROSSE ILLUSION Band 1 (Reprodukt)
Hardcover, 248 Seiten, farbig, € 29,00, ISBN: 978-3-95640-433-7 • Übersetzung aus dem Italienischen: Myriam Alfano • Leseprobe
Sven Jachmann auf DieZukunft.de und Comic.de: „Alessandro Tota erzählt keine melodramatische Aufsteigergeschichte, und er segnet auch nicht die Anfänge der Comic-Industrie: Kreative Arbeit ist in der zweibändig konzipierten Graphic Novel eine Schinderei unterm Gesetz eines brutalen Kapitalismus: Unterbezahlung, miese Verträge, keine Urheberrechte, Zeitnot, Konkurrenz und Einsamkeit sind die Konsequenzen für Morgans bescheidenen Erfolg. Tota rückt überdies den gesellschaftspolitischen Rahmen ins Licht: Armut, Rassismus (unter und gegenüber den Migrant*innen), Misogynie (…), Homophobie (…) und die Angst vor einem Weltkrieg sind allgegenwärtig. Man muss das nicht nur historisch lesen: Spätestens wenn der ‚Masses‘-Chefredakteur seinen Job verliert, weil er aus journalistischem Ethos einen sowjetkritischen Bericht über Verfolgungen, Scheinprozesse und Deportationen zuließ, wirkt dies wie ein Fingerzeig auf die faschistische Transformation des heutigen Russlands, die vom Gros der antiimperialistischen Linken nicht minder kaltschnäuzig ignoriert wird. Tota blickt in den Abgrund der Geschichte, und der starrt bedrohlich zurück.“
Dinah Wernli:
LOUISE (Edition Moderne)
Hardcover, 168 Seiten, farbig, € 34,80, ISBN: 978-3-03731-265-0 • Leseprobe
Andrea Heinze auf radio3 rbb und Comic.de: „Mit diesen reduzierten Mitteln erzählt Dinah Wernli die Emanzipationsgeschichte Grütters. Gerade die Reduktion vermag es, die sehr fremde Lebenswelt der Bergbäuerin für uns heute nahbar und berührend zu machen. Weil die Sprache jeden Zeitbezug eliminiert und die Gemälde vor allem wegen der darauf abgebildeten Gesten funktionieren, Gesten, die wir heute noch kennen. (…) Diese Bilder wirken wie gemalte Archetypen, die eine sehr feine Wucht entwickeln und nachvollziehbar machen, wie sich Louise verändert, wie sie eine Seite von sich entdeckt, die sie nie für möglich gehalten hat. Und wie sie doch in ihrem Alltag und rein äußerlich immer die einfache Bäuerin bleibt. Mit diesem Comic setzt Dinah Wernli Louise Grütter, dem Modell eines Malers, ein Denkmal. Und zwar so poetisch und kontemplativ, wie es vorher noch nie gemalt wurde.“
Vincent Lemire (Autor), Christophe Gaultier (Zeichner)
JERUSALEM. DIE GESCHICHTE EINER STADT (Jacoby & Stuart)
Hardcover, 256 Seiten, farbig, € 32,00, ISBN: 978-3-96428-240-8 • Übersetzung aus dem Französischen: Edmund Jacoby • Leseprobe
Aus dem Klappentext: „In zehn Kapiteln erzählen berühmte und anonyme Akteure und Zeugen, die im Laufe der Jahrhunderte durch Jerusalem gewandert sind, von dieser Melange unterschiedlichster Einflüsse. Die Graphic Novel stellt die Zyklen von Leben und Tod, von Krieg und Frieden, von Höhepunkten und Verfall dar. Jerusalem fällt immer wieder und steht von Jahrhundert zu Jahrhundert wieder auf. Jede Periode der Toleranz macht einer Zeit der Eiferer Platz, und alle, die die alleinige Kontrolle über die Stadt wollten, haben sie schließlich verloren. An diesem Ort, an dem die drei großen monotheistischen Religionen aufeinandertreffen, bekämpfen sie sich, kopieren sich und erfinden sich mit den Werkzeugen ihrer Zeit neu.“
Takehiko Inoue:
VAGABOND Band 1 (Egmont Manga)
Softcover, 424 Seiten, s/w, € 24,00, ISBN: 978-3-7555-0461-0 • Leseprobe
Irene Salzmann auf Splashcomics.de: „Inoue Takehikos Stil ist detailreich und sehr aufwändig, sowohl die ruhigen wie auch dynamischen Szenen überzeugen. Die Charaktere passen in keine Klischee-Schublade, tragen positive und negative Züge, ihr Handeln wird von Notwendigkeiten und Wünschen bestimmt, das Leben der Samurai wird nicht glorifiziert. Es gibt explizite Sex-Szenen und viel Gewalt, so dass der Manga zu Recht in Folie eingeschweißt dem erwachsenen Publikum vorbehalten bleibt. Zweifellos stellt die Serie ein Highlight im Rahmen der Adult-Mangas dar, denn Inhalt und Zeichnungen heben sich deutlich vom Niveau der gängigen Massentitel, die den Markt dominieren, ab.“
Jason Aaron (Autor), Paolo Mottura (Zeichner) u. a.:
ONKEL DAGOBERT UND DER INFINITY-TALER in: Lustiges Taschenbuch Band 591 (Egmont)
Softcover, 250 Seiten, farbig, € 7,99 • Leseprobe
Christian Endres im Tagesspiegel: „(Das wird) beiden ‚Welten‘ gerecht, weil Aaron die Marvel-Formel und das Duck-Rezept kennt – und unterhaltsam zusammenbringt. Für ihn ist diese 30-seitige Geschichte bei aller Erfahrung und allem Superstar-Status spürbar etwas Besonderes. Auch als Comic-Fan kann man sich dem Hype, der Anziehungskraft einer Dagobert-Story mit Marvel-Allüren, kaum entziehen. Bei den Zeichnungen sorgen die erfahrenen italienischen Disney-Künstler Francesco D’Ippolito, Alessandro Pastrovicchio, Vitale Mangiatordi und Giada Perissinotto für einen so traditionsbewussten wie dynamischen Duck-Look. Die nuancenreiche, strahlende Kolorierung von Arianna Consonni changiert zwischen Marvel und Disney, USA und Italien. Kurzum: Entenhausen sieht auch unter Marvel-Flagge wie Entenhausen aus, da braucht man sich keine Sorgen zu machen.“
DIE MEDIENPARTNER
BuchMarkt – Das Ideenmagazin für den Buchhandel
Comic.de – Das Magazin für Comic-Kultur im Internet
rbbKultur – Deine Ohren werden Augen machen
Der Tagesspiegel – Die größte Zeitung der Hauptstadt
DIE JURY
Niels Beintker (Bayerischer Rundfunk, https://t1p.de/8o0h)
Barbara Buchholz (Der Tagesspiegel, Schnüss, http://t1p.de/p02p)
Anne Delseit (Animania, https://t1p.de/ae4v)
Christian Endres (die zukunft, Geek!, http://t1p.de/ukpk)
Birte Förster (Titel Kulturmagazin, Der Tagesspiegel, http://t1p.de/qtej)
Gerhard Förster (Die Sprechblase, http://t1p.de/wv34)
Christian Gasser (Radio SRF 2, Neue Zürcher Zeitung, http://t1p.de/mlz5)
Meheddiz Gürle (Lektoratsdienste des ekz.bibliotheksservice, https://t1p.de/qsog)
Christoph Haas (Süddeutsche Zeitung, taz. die tageszeitung, http://t1p.de/fqdm)
Volker Hamann (Alfonz, Reddition, http://t1p.de/lr8o)
Andrea Heinze (Deutschlandfunk, rbbKultur, https://t1p.de/lcg9)
Jule Hoffmann (Deutschlandfunk Kultur, http://t1p.de/htfj)
Sven Jachmann (Comic.de, DieZukunft.de, https://t1p.de/pe4jj)
Alex Jakubowski (ARD-aktuell, Comic-Denkblase, https://t1p.de/34ug)
Lucas Sebastian Jordan (Manga Passion, https://t1p.de/7ig7)
Martin Jurgeit (Buchreport, die neunte, http://t1p.de/mnzr)
Michael Klamp (Ostsee-Zeitung, Rostock, https://t1p.de/z4pe)
Karin Krichmayr (Der Standard, http://t1p.de/yjp7)
Gerrit Lungershausen (Comicgate, Comic.de, Closure, http://t1p.de/7xy3)
Mattes Penkert-Hennig (Dein Antiheld, http://t1p.de/5j86)
Claudia Reicherter (Reutlinger General-Anzeiger, http://t1p.de/8v3n)
Martin Reiterer (Wiener Zeitung, http://t1p.de/71xu)
Volker Robrahn (Comic-Talk, https://t1p.de/lz67i)
Martin Schöne (3sat, http://t1p.de/qzyh)
Sabine Scholz (Animania, Der Tagesspiegel, http://t1p.de/g2ju)
Christa Sigg (Abendzeitung, http://t1p.de/g2ju)
Anna Mháire Stritter (Orkenspalter TV, https://t1p.de/lyts)
Lars von Törne (Der Tagesspiegel, http://t1p.de/zuip)
Ralph Trommer (taz.die tageszeitung, http://t1p.de/cagt)
Gesa Ufer (Deutschlandfunk Kultur, rbb radioeins, https://t1p.de/1ky28)