Richard Corben ist ein Pionier des Underground-Comic. Seine beeindruckenden, plastischen Malereien und Zeichnungen erschienen international im legendären „Heavy Metal“-Magazin. Auch wenn starke Kontraste, Makaberes und Grusel klar im Zentrum seines Werkes stehen, ist der Amerikaner auch ein gern gesehener Künstler in Mainstream-Veröffentlichungen wie Marvels „Luke Cage“ oder aktuell mit einem Nachdruck der Story „Alchemy“ im bei Cross Cult erscheinendem Omnibus zu Gigers monströser „Alien“-Kreatur. Wichtige Eckpunkte in der Karriere von Richard Corben waren dabei die zahlreichen Horror-Veröffentlichungen, die ursprünglich in den amerikanischen Kultmagazinen „Eerie“ und „Creepy“ des alt-ehrwürdigen Warren-Verlags erschienen.
Das Herausragende an Corbens Arbeiten ist die Kombination eigentlich eher grober, oft skizzenhaft-schmutzig schraffierter Underground-Stilmittel und fotorealistisch orientierter Maltechniken. Besonders erwähnenswert ist außerdem seine Pionierarbeit im Bereich des Farbdrucks, die sich zu einer Zeit mit aufwändigen Massenproduktionsverfahren beschäftigte, in der die Ansprüche großer Comic-Verlage meist nicht höher lagen, als die Bilder „irgendwie bunt zu machen“.
Wie später auch für den leider kürzlich verstorbenen Genre-Kollegen Bernie Wrightson setzte der amerikanische „Dark Horse“-Verlag den Kurzgeschichten aus dieser Schaffensphase mit einem umfangreichem Sammelband ein Denkmal. Eine deutsche Heimat fand der Band dann bereits vor drei Jahren bei den Bielefeldern von Splitter, bei denen die Compilation auf ein den opulenten Bildern schmeichelndes Überformat aufgeblasen und in einen schmucken Hardcover-Harnisch geschlagen wurde. Der todschicke, satte 352 Seiten starke Coffee-Table-Schmöker kann vielseitig als ansprechendes Nachschlagewerk, dekorativer Blickfang oder effektive Mordwaffe genutzt werden, was den thematischen Kreis zum makaberen Inhalt wieder elegant schließt.
Vor allem anderem bietet „CREEPY präsentiert: Richard Corben“ eindrucksvoll die Möglichkeit, Corbens beeindruckende technische und künstlerische Entwicklung nachzuvollziehen. Die begann zwar schon auf einem erstaunlichen Niveau, entwickelt aber eine beachtliche, technische Breite, ohne dabei jemals Corbens charakteristische Handschrift und seine teigig-drallen Figuren einzubüßen.
Inhaltlich ist eine leichte Tendenz zu brutaleren oder bizarr-humorigeren Short Stories zu erkennen, anstelle der im direkten Vergleich mit dem Sammelband des Kollegen Bernie Wrightson häufig eleganteren und poetischeren Stoffe. Diese Gewichtung ist aber vermutlich eher in damaligen redaktionellen Entscheidungen des Warren-Verlages entstanden und nicht in den extrem breit aufgestellten Fähigkeiten beider Künstler zu suchen.
Ein alles andere als angestaubtes Stück Comic-Historie, das immer wieder zum Nachblättern und zu ehrfürchtigem Staunen animieren wird. Bleibt zu hoffen, dass die Bände in Deutschland erfolgreich genug sind, damit sich die Übersetzung weiterer Bände der Reihe mit Sammlungen von Steve Ditko oder Alex Toth für den Verlag auch rechnet.
Richard Corben u.v.a.: CREEPY präsentiert: Richard Corben. Splitter, Bielefeld 2014. 352 Seiten, 49,80 Euro.