In den frühen 80er-Jahren platzte ein Zeichner und Autor in das Comic-Geschäft, der mit seinem Stil die bisherigen Fans verblüffte, aber die meisten begeistern konte. Ich erinnere mich noch an mein Staunen, als ich sein „Das Testament des Gottfried von Bouillon“ im Rahmen der schicken und exklusiven „Atomium“-Reihe kaufte und las – so etwas hatte man zuvor nicht gesehen.
Yves Chaland hieß der Wunderknabe, der in der französischen Comic-Szene für eine riesige Begeisterung sorgte und auch im deutschsprachigen Raum ziemlich abgefeiert wurde. Als der Künstler im Jahr 1990 im Alter von nur 33 Jahren bei einem Unfall ums Leben kam, hinterließ er ein überschaubares Werk, das aber für viele andere Künstler stilprägend wurde.
Bei Carlsen sind jetzt seine „Freddy Lombard“-Geschichten in einer schönen Gesamtausgabe erschienen – in einer einheitlichen Gestaltung und in einem handlichen Format. Ich finde die Mixtur aus Abenteuer und Funny immer noch richtig gut, und ich stelle fest, dass Yves Chalands Geschichten auch nach über dreißig Jahren nichts von ihrem Reiz verloren haben.
Geschickt entziehen sie sich den Genregrenzen; man kann nicht genau sagen, ob es nun Krimis sind oder ob der phantastische Gehalt manchmal doch überwiegt. Wahrscheinlich würde man – wenn es Romane wären – die „Freddy Lombard“-Geschichten in die Schublade mit Popliteratur stecken. Denn letztlich geht es in den Abenteuern um drei ungleiche Charaktere, eigentlich sind es sogar Herumtreiber, die zwar alterslos erscheinen, aber nicht viel älter als Mitte der zwanzig ein können.Freddy und seine Freunde schlagen sich durchs Leben, sie leben zeitweise in Abbruchhäusern, sie verdingen sich als Schatzsucher und hausen in einer Höhle, sie lassen sich politisch instrumentalisieren und sind sprunghaft, sie streiten sich und halten doch zusammen – drei junge Leute also, die noch nicht erwachsen geworden sind, wenngleich sie eindeutig keine Jugendlichen mehr sind. Im bedrückenden Album „Ferien in Budapest“ wird klar verortet, zu welcher Zeit die Geschichten spielen: in den fünfziger Jahren also. Andere Geschichten sind ebenso alterslos wie die Figuren selbst. „Das Testament von Gottfried von Bouillon“ spielt mit den Zeiten, hat sogar eine Mittelalterhandlung, während „Der Elefantenfriedhof“ eine Kriminalgeschichte ist, in der beispielsweise die Kolonialzeit eine Rolle spielt.
Der Autor und Zeichner brachte unterhaltende Comics zu Papier, die bewusst an die Zeit von „Tim & Struppi“ erinnerten, die klassischen Zeichnungen und Geschichten aber modernisierten. Damit schuf er ein zeitgeistiges Werk, das in den 80er-Jahren absolut beeindruckte. Heutzutage wirkt „Freddy Lombard“ nicht mehr so cool wie damals; manche Anspielung in der Kleidung, bei den Wohnungen oder Autos lässt sich heute kaum noch vermitteln. Die Geschichten sind aber immer noch gut – ihre Mischung aus klassischem Abenteuer und schrägem Humor habe ich erneut mit großem Vergnügen gelesen. Nicht nur für Fans der 80er-Jahre interessant, sicher aber für jeden, der Comic-Geschichte mag und sich über einen ungewöhnlichen Stil freuen kann.
Dieser Text erschien zuerst auf: perry-rhodan.net
Klaus N. Frick ist Chefredakteur der Science-Fiction-Heftroman-Serie „Perry Rhodan“ sowie Autor zahlreicher Romane und Kurzgeschichten.