Es ist das typische Familienidyll, in das der Horror einbricht: die Eltern sind verständnisvoll und die beiden reizenden Kinder Benji und Brittany sind mit typischen Teenie-Kabbeleien beschäftigt. Dieses beschauliche Szenario ist eher zufällig entstanden, im Rahmen des #Inktober. Einer Aktion, bei der vor allem Comickünstler und Grafiker jeden Tag im Oktober ein Bild zeichneten und online veröffentlichten. Mitgemacht hat auch Timo Grubing:
„Und um dem ganzen mal einen Rahmen zu geben, dass man nicht jeden Tag ein losgelöstet Bild hat, das dann in den sozialen Medien vergammelt, habe ich gedacht, ich mache mal einen Kurzcomic. Das hat sich dann aber so ergeben, dass ich dann am Ende des Oktobers gemerkt habe, dass der Comic gerade erst angefangen hat zu laufen und das wär ja jetzt schade, wenn ich den jetzt beende.“
Denn da ist der Horror gerade erst ins Haus gekommen – in Form von Loreley, die während der Ferien bei Benji und Brittany einzieht. Lorelei braucht ein bisschen Abwechslung, denn ihr Bruder Toby ist verschwunden und ihre Eltern sind Nervenbündel. Seit Loreley im Haus ist, geschehen allerdings seltsame Sachen: aus dem Kühlschrank verschwinden Nahrungsmittel, Lorelei stapft mitten in der Nacht raus in den Garten und verschwindet im Gestrüpp.Timo Grubing, der sein Geld vor allem mit der Illustration von Kinderbüchern verdient, hat schon beim Horror-Bestseller „Die Toten“ mit gezeichnet, ein Band, in dem Zombies deutsche Städte wie Hanau, Köln oder Stuttgart überfallen. „Don´t touch it“ hat er nun in die USA verlegt.
„Das liegt glaube ich eher daran, dass ich seit meinem zehnten Lebensjahr großer Stephen King Fan bin und für mich passt das einfach immer noch vom Feeling her besser, wenn das in Amerika spielt als in Oer-Erkenschwick oder Wanne-Eickel.“
Horror ist hip im Comic: einer der Vorreiter ist die amerikanische Serie „The Walking Dead“. In Deutschland war Olivia Vieweg mit „Endzeit“ erfolgreich. Und Isabel Kreitz bring mit „Die Unheimlichen“ gerade eine ganze Reihe von Comics heraus, in der deutsche Comicgrößen Adaptionen von Horror-Klassikern zeichnen.
„Ich weiß gar nicht, ob das gerade so hip ist oder ob wir heutzutage zum Glück in einer Zeit leben, wo es einfacher ist das zu publizieren, sei es als Webcomic oder wie ich in einem Independent Verlag.“
„Don´t touch it“ ist beides: Von Oktober 2016 bis Mai 2018 hat Grubing im Web veröffentlicht, jetzt ist der Comic im Independent-Verlag Zwerchfell erschienen. Hier geht es weniger um Splatter-Orgien, stattdessen spielt Grubing darin mit klassischen Horrorelementen: Ein Schrottplatz mit all seinem Zivilisationsmüll wird zum Dreh und Angelpunkt der Geschichte. Ein verschrotteter Schulbus ist das Portal in eine andere Welt, in der Tobi, der verschwundene Bruder von Lorelei, jetzt haust. All das hat Grubing mit Tusche und Kugelschreiber vorgezeichnet. Am Computer hat er feine Graustufen unterlegt, die das Mienenspiel der Protagonisten besonders herausarbeiten.
„Ich mag bei Stephen King vor allem die Coming of Age-Elemente, gerade in „Es“, das ja jetzt gerade verfilmt wurde, oder „Stand by me“, wo es mehr um Freundschaft und diese ganzen Probleme, die in der Jugend spielen, geht, die sich dann um die Mysterie-Elemente erweitern. Was bei ‚Don´t touch‘ auch so ist, wo es darum geht, was man in der Jugend immer wieder hört: Das darfst Du nicht und das darfst Du nicht – und darum geht es ja quasi in der Geschichte, dass es etwas gibt, was man nicht anfassen darf, was dann einen umso größeren Reiz hat, das anzufassen.“
„Fass es nicht an“ – geradezu hysterisch wird das im Comic immer wieder geschrien, wenn irgendjemand das rätselhafte Glas von Lorelei anfassen will, das Großes verheißt – und doch nur Verderben bringt. Warum aber verlegt Timo Grubing die Geschichte in die 90er Jahre?
„Weil früher ging man in den Wald und wenn man ein Monster gesehen hat, dann musste man nach Hause rennen und irgendwie erklären, da ist ein Monster. Heute kann man sein Handy zücken, ein Foto davon machen und das über WhatsApp verschicken oder auf Facebook stellen. Darum finde ich, die Zeit, als es noch keine Handys gab, die hatte noch mehr Mysterien.“
Dieser Text erschien zuerst am 15.11.2018 auf: Deutschlandfunk.
Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.