Seit Samstag, den 29. September 2018, blickt ein gezeichneter Nick Cave den Besucherinnen und Besuchern der Galerie Stihl Waiblingen ernst entgegen. Dass die aktuelle Ausstellung sich nicht primär dem Musiker, Schriftsteller und Schauspieler widmet, verrät eine auffällige, gelb gerahmte Sprechblase: GRAPHIC NOVELS proklamiert sie, mit dicker schwarzer Versalschrift. Bis zum 06. Januar 2019 präsentiert das Ausstellungshaus 295 Originalzeichnungen, Skizzen, Storyboards und Drucke aktueller deutscher Comic-Romane.
Die Thematiken der vertretenen Graphic Novels sind weitgefächert. Es finden sich Alkoholiker neben Waldtieren wieder, Rockstars gegenüber Flüchtlingslagern und Familienproblematiken benachbart von Drachen. Die Besuchenden bekommen die Möglichkeit Arbeitsweisen und einzelne -schritte deutscher Comic-Schaffender zu bestaunen und nachzuvollziehen. So werden beispielsweise die verschiedenen Stadien der Drucktechnik, mit der Jakob Hinrichs seine Adaption „Hans Fallada – Der Trinker“ ausarbeitete, präsentiert. Dass es sich bei den gezeigten Graphic Novels lediglich um Werke der Roman-Gattung handelt, ist ein Trugschluss, der der Schwierigkeit einer gerecht werdenden Übersetzung geschuldet ist.Mit Zeichnungen und Skizzen des noch unveröffentlichten Werks „Drachenei im Stammhirn“ von Felix Pestemer zeigt die Galerie eine Graphic Novel aus dem Fantasy-Bereich. Film- und Literaturinteressierte werden schnell feststellen, dass Pestemer einige bekannte Wesen in seinem Werk auftauchen lässt. So geht beispielsweise der Drachentöter Siegfried bei Frau Mahlzahn in die Lehre, während sich Gertie the Dinosaur auf einem Gruppenbild freundschaftlich an den Jabberwocky lehnt.
Beim Besuch der Ausstellung wird schnell klar: Das Organisationsteam inszeniert mit den insgesamt 18 Künstlern einen Querschnitt verschiedener, eindrucksvoller Stile. Angefangen – natürlich – bei Will Eisners 1978 erschienenen Graphic Novel „A Contract with God and Other Tenement Stories“. Darin verzichtet der Künstler meist völlig auf Panelrahmungen, Sprechblasen sowie Captions und untermalt die Geschichte atmosphärisch mit ausgeprägten Chiaroscuro-Zeichnungen.Ebenfalls in Hell-Dunkel-Malerei und im Stil des Film Noir warten die aquarellierten Seiten von Hans Hillmanns „Fliegenpapier“ auf. Sieben Jahre arbeitete der Künstler an dem 1982 veröffentlichten Werk, das die Kurzgeschichte „Flypaper“ von Dashiell Hammett adaptiert. Damit stellt dieses Projekt sogar eine noch ältere Arbeit als Eisners „A Contract with God“ dar.
Mehr Farbe liefert dagegen Olivier Kuglers „Dem Krieg entronnen“. Eine eindrückliche und einfühlsame Arbeit, für die er Menschen in Flüchtlingslagern mehrere Jahre begleitete, weshalb er selbst sein Werk als Comic-Reportage bezeichnet.Die Ausstellung „Graphic Novels. Aktuelle deutsche Comic-Romane“ fördert eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema und unterstreicht die Ernsthaftigkeit und Signifikanz, welche die Kunstgattung birgt.
Dieser Text erschien zuerst auf: blog.arthistoricum.net
Laura Glötter studiert im Master Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg und verfasst Beiträge für das Themenportal Caricature&Comic. Im Sommer 2017 schrieb sie ihre Bachelorarbeit über die visuelle Narration des finnischen Volksepos in Don Rosas „The Quest for Kalevala“.