Während eines Einsatzes tötet die Polizistin Jasmine Stenford irrtümlich eine minderjährige Drogenabhängige. Das Mädchen, so stellt sich heraus, ist die Tochter eines einflussreichen Politikers, des britischen Industrieministers. Jasmine wird der Prozess gemacht. Ihr Strafmaß: 20 Jahre Zwangsarbeit auf dem Mars. Denn wir schreiben das Jahr 2132, und die natürlichen Ressourcen der Erde sind ausgebeutet. Daher setzt man auf die Kolonisation des Roten Planeten, wohin alle Gefangenen, die mehr als fünf Jahre aufgebrummt bekommen, verbracht werden. Der Mars wurde so zum größten Arbeitslager des Sonnensystems. Die Aufgabe der Sträflinge: den Mars bewohnbar zu machen, gewissermaßen als Erde 2. Um eine Atmosphäre zu schaffen, pflanzt man genetisch veränderte Bäume. In den Marstälern entstehen für die freien Siedler erste Kuppelstädte. Jasmines Aufgabe: Kanäle für die Wasserversorgung ausheben. Ein mörderischer Knochenjob, der regelmäßig Opfer fordert. Doch als bekannt wird, dass Jasmine eine Ex-Polizistin ist, droht ihr auch von ganz anderer Seite Gefahr…
Die neue Science-Fiction-Serie von Autor Sylvain Runberg (u. a. „Orbital“) und Zeichner Grun („Metronom“) setzt auf Motive, denen wir in dem Genre immer wieder begegnen: Die Erde ist bald hinüber, weil die Rohstoffe fehlen. Der Kollaps droht. Deshalb soll und muss der Mars besiedelt werden. Und wie einst Australien von Sträflingen mitbegründet wurde, soll auch der Rote Planet via Zwangsarbeit zu einer neuen Heimat für die Menschen der Erde werden. Das Terraforming gestaltet sich aufwändig und schwierig, seit 20 Jahren pflanzt und baut man schon. Die Bedingungen sind hart und gnadenlos – immerhin können die Häftlinge mit speziellen Implantaten bereits die „Marsluft“ atmen. Kontrolliert und beaufsichtigt wird man mit Überwachungsdrohnen, die bei kleinsten Vergehen bereits töten, und einem ebenfalls implantierten GPS-Chip. Flucht ist damit unmöglich. Wie auch. Die Hauptfigur Jasmine Stenford bleibt anfangs passiv und distanziert – als sie später als Ex-Polizistin geoutet wird, ist auch klar, warum. Ob sie in der religiösen Gruppe um den ebenfalls inhaftierten brasilianischen Prediger Xavier Rojas Schutz findet?Natürlich ist das System der Zwangsarbeit nichts anderes als moderne Sklaverei, hinter der mächtige Konzerne stehen, verbunden mit maximalem Profit. Obwohl es durchaus kritische Artikel beispielsweise bezüglich der hohen Sterberate unter den Gefangenen gibt, wird das System nach wie vor gestützt. Ob dabei den Zwangsarbeitern bewusst wird, dass sie als Baumeister für die Zukunft der Menschheit tatsächlich eine wichtige Rolle spielen und damit durchaus Macht besitzen, ist nach Band 1 noch unklar. Die Nebenstorys mit der (noch geduldeten) religiösen Bewegung und die offenbar sabotierte Sprengung zeigen, dass es trotz allumfassender Überwachung revolutionäre oder zumindest aufbegehrende Tendenzen gibt. Wohin die Geschichte führt, wird sich noch zeigen. Dass Autor Runberg für Überraschungen und Wendungen gut ist, wissen wir ja aus seiner bekannten SF-Reihe „Orbital“. Während Zeichner Grun (d. i. Ludovic Dubois) das Geschehen auf der Erde in Rückblenden knallig bunt darstellt, regieren auf dem Mars passenderweise triste Erdtöne, in realistisch und detailliert gestalteten Panels. Über 20 Seiten an Skizzen und Studien zu den Personen ergänzen den Band.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.