Das waren die 90er, mein Freund – „Stups & Krümel“

Häschen Stups ist zu Tode betrübt, nachdem er nach geglückter Mondlandung ansehen muss, wie der rüpelhafte Pseudo-Superheld Superschwein seinem geliebten Stupsinchen zu ihrer sichtlichen Freude ins Gesicht ejakuliert. Sein bester Freund, das zynische Totenschädel-Dings Krümel ist mit sehr fatalistischen Ratschlägen auch keine besonders große Hilfe bei der Verarbeitung des jüngst erworbenen Traumas. Gut, dass für den geneigten Leser hier jede Menge Kreuzworträtsel und vergleichbare Kinderheft-Spielereien bereitgestellt werden, um sich gelegentlich ein wenig von der hitzigen Dramatik des „Hauptplots“ abzukühlen.

Fil (Autor und Zeichner): „Stups & Krümel Mega-Sammelband“.
Reprodukt, Berlin 2019. 288 Seiten. 10 Euro

Eiserne Vertreter des guten Geschmacks haben vermutlich bereits mit dieser Inhaltsangabe des 300 Seiten starken „Stups & Krümel“-Büchleins von Fil („Didi und Stulle“), dem herrlich räudigen Punkrocker der deutschen Comic-Landschaft, verstanden, dass sie besser die Finger von „Stups & Krümel“ lassen sollten. Bewusster gestalterischer und erzählerischer Minimalismus erzeugen hier die Illusion eines vermeintlichen Kindermagazins mit naiv-niedlichen Charakteren wie dem lizenzrechtlich fragwürdigen Plastikmann Playmo oder den nervtötend unverständlichen Jugendlichen Ätzy und Fetzi.

Stehen auf den ersten Blick noch anarchischer Holzhammer-Humor und kalkulierte Grenzübertretungen im humoristischen Fokus, eröffnen sich jenen, die sich darüber hinaus mit dem wirkich saukomischen Büchlein befassen möchten, viele großartig situationskomische Seiten. Und die trommeln viel zu regelmäßig, dicht beieinander und auch viel zu fest auf die Lachmuskeln, um einfach nur so planlos und spontan auf die Seiten gekritzelt worden zu sein, wie es die charmant-gleichgültige Punk-Fanzine-Aufmachung vermuten lassen soll.

Respektlos, originell und verdammt abwechslungsreich eignet sich der „Stups und Krümel“-Megaband nicht nur für Comic-Freunde, die sich gern mal abseits ausgetretener Genre-Pfade unterhalten lassen möchten, sondern auch für Neunziger-Nostalgiker und bekloppte Freunde, die an sich vielleicht seltsam genug für den Inhalt sind, über Comics aber bislang immer die Nase gerümpft haben, weil die ihnen zu „mainstream“ und kalkulierbar sind. Herrlich abgefucktes Chaos für die Hosentasche.

Dieser Text erschien zuerst auf: DeinAntiheld.de

Mattes Penkert-Hennig ist Betreiber des Online-Comicmagazins DeinAntiHeld.de, Autor für Comic.de und den Berliner Tagesspiegel, war Juror beim „Rudolph Dirks Award“, Panelmoderator auf Comicmessen und hat zahlreiche Video-Interviews mit internationalen Comic-Künstlen geführt. Darüber hinaus produziert er animierte Video-Trailer für Comics und artverwandte Medien.

Seite aus „Stups & Krümel“ (Reprodukt)