In diesem Sommer ist die zweite Ausgabe der Science-Fiction- und Fantasy-Comic-Anthologie „Cozmic“ erschienen. Nachdem der erste Band von der Kritik sehr positiv aufgenommen wurde, haben René Moreau und Michael Vogt nun einen zweiten Band mit zwölf Kurzcomics herausgegeben.
Frauke Berger („Grün“), die schon am ersten „Cozmic“ mitgewirkt hatte, steuert mit „Nachtfalter“ eine zehnseitige Story über eine Apokalpysen-Überlebende und ihren androiden Gefährten in einer dystopischen Zukunft bei. Knüpfte Bergers Öko-Postapokalypse „Grün“ visuell an die fantastischen Welten von Moebius an, erinnert die ornamentale Grafik von „Nachtfalter“ wie auch von Bergers diesjährigem Langcomic „Die Schöne und die Biester“ (gemeinsam mit Bors Koch) eher an die verträumten Zeichnungen von Tillie Walden („West, West Texas“). „Ich versuche meinen Stil immer ein bisschen dem Thema der Geschichte anzupassen,“ so Frauke Berger auf Anfrage. „Die kleineren Episoden für die ‚Cozmic‘ bieten sich dazu an, neue Formate, Farbkombinationen und Storytelling-Kniffe auszuprobieren, ohne sich auf etwas festlegen zu müssen. Tatsächlich hat sich mein Kolorationsstil auch schon innerhalb von ‚Grün‘ angefangen zu ändern.“ Wie schon in ihrem erfolgreichen Science-Ficiton-Zweiteiler „Grün“ bleibt manches in „Nachtfalter“ noch rätselhaft, vor allem, sobald der Comic nur durch Bilder erzählt – dem müsste eine Fortsetzung Abhilfe schaffen: „Ich hoffe, dass es weiterhin so gut mit der ‚Cozmic‘ funktioniert – meine kleine Geschichte würde ich gerne noch ein bisschen weiterzählen.“
Wie im ersten Band verhandeln die Kurzcomics gern aktuelle Themen: Christian Endres und Albert Hulm setzen sich in „Narben machen sexy!“ mit Künstlicher Intelligenz auseinander, und Greta Thunberg wird von Arnold Spree und Thorsten Wieser in „Die Abenteuer des Raumschiffs Exodus“ als „Greta Thunfisch“ fiktionalisiert.Der Darmstädter Grafiker Ingo Lohse („Krimalkin“) führt mit seinen „Bildern der fließenden Welt“ die Leser*innen an der Nase herum. Die z. T. aus früheren Publikationen („Mutator“, 2017) stammenden Illustrationen (Moebius lässt wieder grüßen) fügen sich nicht zu einer kohärenten Geschichte und lassen den Leser*innen… maximalen Spielraum. So schön die einzelnen, feingezeichneten Bilder und Seitenarrangements geraten sind, wirkt die Zusammenstellung doch etwas beliebig. Aber wem das nicht gefällt, kann weiterblättern und stößt neben grafischen oder erzählerischen Experimenten auf Geschichten mit starkem Gegenwartsbezug oder gute Unterhaltung.
Sehr routiniert erzählt Olaf Brill mit Zeichner Michael Vogt die Weltraum-Humoreske „Ein seltsamer Tag“, in der ein Androide aufdeckt, dass die Gründungsmythen ganzer Zivilisationen ganz buchstäblich ‚für’n Arsch‘ sein können. Kein Wunder, dass die beiden Künstler wissen, was sie tun, denn die Reihe erscheint schon seit 2011 in verschiedenen Magazinen („phantastisch“, „U-Comix“) und ist 2018 bei Atlantis mit einem Einzelband gewürdigt worden.
Die Herausgeber der aufwändig aufgemachten Anthologie sind keine Publikationsnovizen. Die Idee zu dem Projekt stammt von René Moreau, der seit 2003 die Science-Fiction-Zeitschrift „Exodus“ herausgibt. In dieser sind neben Kurzgeschichten auch Grafiken enthalten. Für die Arbeit an „Cozmic“ holte er sich zunächst als Zeichner, dann als Herausgeber den Comic-Veteranen Michael Vogt hinzu, der für diverse Magazine und Veröffentlichungen zeichnet.
Wie schon der erste Band, der im September 2019 erschienen ist, ist auch diese Fortsetzung, deren Titel von Meike Schultchen gestaltet wurde, einen Blick wert. „Cozmic“ 3 ist für Herbst angekündigt.
Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.