Die deutsche Comic-Szene wird international immer wichtiger. Das merkt man auch daran, dass seit ein paar Jahren deutsche Zeichner Abenteuer für frankobelgische Comic-Klassiker erfinden dürfen. Der Berliner Comic-Zeichner Flix bereits zum zweiten Mal: Nach „Spirou in Berlin“ hat er nun ein Marsupilami-Abenteuer gezeichnet.
Bei Flix wird das Marsupilami zum „Humboldt-Tier“, denn Flix lässt das Fantasiewesen von Alexander von Humboldt und seinem Forscherkollegen Aimé Bonpland in Südamerika entdecken und in einer Kiste nach Berlin ins Naturkundemuseum bringen. Und weil die beiden auf ihren Reisen so viel gesammelt haben, sind bis heute noch nicht alle Kisten ausgepackt. Fans des Naturkundemuseums wissen das, und gerade die kommen bei der Marsupilami-Hommage von Flix besonders auf ihre Kosten. Denn Flix hat viele Räume des Naturkundemuseums originalgetreu gezeichnet. Und zugleich hat er noch nie so viele Tierarten und Dinosaurierskelette in einem Comic versammelt wie in „Das Humboldt-Tier“. Dieser Comic ist also auch eine Hommage an das Berliner Naturkundemuseum.
Dort wird das Marsupilami von einem Mädchen aus seiner Kiste befreit, zusammen mit drei Eiern des Marsupilamis. Und das will mit seinen Eiern zurück in den südamerikanischen Dschungel. Das Mädchen hilft ihm dabei. Allerdings gibt es zwei Gegenspieler: den Museumsdirektor und einen karrieristischen Tierpräparator. Beide möchten mit der Entdeckung des Marsupilamis zu Ruhm gelangen.
Das Marsupilami ist ein Geschöpf, das einem Leopard mit meterlangem Schwanz ähnelt und vor 70 Jahren vom belgischen Starzeichner André Franquin erfunden wurde. Flix lässt sein Abenteuer zu Beginn der 1930er Jahre spielen und zeigt darin eine Gesellschaft im Umbruch: Die Wirtschaftskrise bedroht die Existenzen von vielen Menschen, und auf der Straße verbreiten Nationalsozialisten ihre Parolen.
Eine politische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist „Das Humboldt-Tier“ nicht. Eher eine Typenkomödie, bei der die Nazis und deren Sympathisanten vom Marsupilami eins auf die Mütze bekommen – wie überhaupt alle fiesen Charaktere vom typischen Berliner Blockwart bis zum ehrgeizigen Tierpräparator. Das Marsupilami stellt mit handfesten Slapstikeinlagen immer wieder die geltende Ordnung in Frage und entwickelt dadurch eine ungeheure Komik. Besonders lustig ist „Das Humboldt-Tier“ auch wegen der Berliner Göre an der Seite des Marsupilamis, die sich nie unterkriegen lässt, ganz gleich, ob fiese Nachbarinnen über sie lästern, weil sie das Kind einer Alleinerziehenden ist, oder ob sie wegen des Marsupilamis von der Polizei gejagt wird.
Flix plädiert mit dem Comic eindeutig für ein menschliches Miteinander. Und auch mit „Das Humboldt-Tier“ erweist er sich als Meister der guten Unterhaltung, der großartige Familiencomics zeichnet.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 02.08.2022 auf: kulturradio rbb
Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.