„Alle haben hier Spuren hinterlassen“

Nadia Budde zählt zu den profiliertesten Kinderbuchautorinnen und -illustratorinnen Deutschlands. Gleich ihr erstes Bilderbuch „Eins Zwei Drei Tier“ (Peter Hammer Verlag) wurde 2000 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Ein weiteres Mal gewann sie den Preis 2009 mit ihrem biografischen Comic „Such dir was aus, aber beeil dich“ (Fischer).

Die Ideen für ihre Geschichten kommen ihr oft beim Flanieren. Und während unzähliger Spaziergänge durch Berlin haben sich nach und nach viele Geschichten, Impressionen und Eindrücke angehäuft, die sie in ihrem neuen Buch „Hundeblick Berlin – Ansichten einer Schnauze“ – diesmal für erwachsene Leser*innen – zusammengetragen hat. Das folgende Presse-Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung des Reprodukt Verlags.

Liebe Nadia, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Gespräch mit uns abknapst. Du arbeitest seit über 20 Jahren sehr erfolgreich als Kinderbuchillustratorin. Magst du uns eingangs mal ein bisschen erzählen, wie du zum Zeichnen kamst und wie und warum du dich künstlerisch Richtung Kinderbuchillustration entwickelt hast?

Das war nicht unbedingt mein Plan, es hat sich während des Studiums ergeben. Meine Professorin Nanne Meyer hat uns so viele spannende Übungen machen lassen, die sich mit der einfachen Verbindung von Text und Bild beschäftigt haben. Ich hatte im letzten Studienjahr die Idee für das Buch „Eins Zwei Drei Tier“, das sich im Grunde nur aus einer Spielerei mit einfacher Sprache ergeben hat. Dann hat sich das Ganze verselbständigt…

Dein neues Buch feiert, der Titel sagt es schon, zwei in deinem Leben wichtige Themen ab: Hunde und Berlin. Wie kamst du auf die Idee zu dem Buch?

Seitdem ich den Hund habe, gehe ich viel spazieren. Und während mein Hund zu tun hat und alle für ihn relevanten Nachrichten lesen und verstehen muss, mache ich genau das Gleiche. Die Stadt ist voller Botschaften, aus der Vergangenheit, der Gegenwart, manches verweist auch auf die Zukunft. Berlin erzählt von den Leuten, die darin leben und gelebt haben. Alle haben hier Spuren hinterlassen – das sieht man im Pflaster des Gehwegs, in Baugruben, anhand der abgestellten Dinge, an den Graffiti und, wenn man das Bild weiter aufzieht, natürlich auch an den Gebäuden usw. Alles liegt nebeneinander und alles ist gleichzeitig. Aus all diesen Beobachtungen ist ein Buch entstanden.

Es ist überraschend ein Nadia-Budde-Buch in der Hand zu halten, das sich an eine erwachsene Leserschaft richtet. Wie war es für dich, mal nicht für Kinder zu texten? Kannst du als Erzählerin einfach umschalten?

Ich muss gestehen, dass ich beim Zeichnen oder Schreiben selten an ein späteres Publikum denke. Bei „Hundeblick“ war es mir gar nicht so bewusst, an wen ich mich da richte. Erst während des Entstehens und in der Entwicklung der einzelnen Kapitel stellte sich heraus, dass es vermutlich kein Kinderbuch sein wird. Ich erzähle gern knapp und reduziert. Auch meine Bilder sind schnell zu erfassen und klar umrissen. Der Unterschied ist für mich also gar nicht so groß.

In deinem Werk spielen Reime, Wortspiele und ein unbändiger Spaß an der Sprache eine wichtige Rolle. Warum hast du dich dafür entschieden, deine Geschichte so zu erzählen?

Das Reimen hilft mir, eine Struktur in das zu bringen, was ich erzählen will. Es hilft auch dabei, Sprache zu verknappen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bei „Hundeblick Berlin“ hat sich das Reimen als Erzählform nie angeboten.

In einer der letzten Geschichten, „Der Schlaf“, drehst du den Spieß noch mal um und erzählst aus der Sicht eines Bären, dem Berlin ordentlich auf den Wecker geht. Kannst du diese Sicht auch nachvollziehen?

Ich glaube, auch als allergrößter Berlin-Fan hat man irgendwann mal die Schnauze voll von der Stadt. Ich könnte mir vorstellen, hier wegzuziehen, aber wenn, dann nur in eine andere große Stadt – und auch das nur, um dann irgendwann wieder zurückzukehren.

Ich mag Städte, die nicht nur schön oder alt oder sauber sind. In New York bin ich oft, weil mein Mann aus dieser Stadt kommt, die Stadt ist mir vertraut und ich könnte dort leben… für eine begrenzte Zeit natürlich nur. Wenn ich lange weg bin, habe ich Berlin-Sehnsucht.

Nadia Budde: „Hundeblick Berlin“. Reprodukt, Berlin 2022. 112 Seiten. 18 Euro