Die Comicbiografie „George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars“ führt zurück in die Zeit des New Hollywood, als die Filmstudios über die Ambitionen dieses jungen Regisseurs nur müde lächelten.
Mitten in den Dreharbeiten zum Film „Star Wars“ („Krieg der Sterne“) erleidet George Lucas im August 1976 einen Schwächeanfall und muss ins Krankenhaus. Begleitet von Krisen, Pech und Pannen arbeitet er zusammen mit seinem großen Team seit drei Jahren an der Produktion eines aufwändigen Fantasy-Spektakels mit immer wieder ungewissem Ausgang. Eben hat er erfahren, dass das Trickfilmstudio Industrial, Light & Magic (ILM) mit den geplanten Special Effects in enormem zeitlichen Verzug ist. Ein Produktionsdesaster jagt das andere. Und es ist schwer vorstellbar, wie die vielen Rückschläge und Entmutigungen in stets neuen Lösungen münden. Das Motiv der archetypischen Heldenreise, die dem späteren Erfolgsfilm zugrunde liegt, lässt ich also auch auf die ersten Karriereschritte des kalifornischen Filmregisseurs übertragen. Entsprechend lautet der deutsche titel des biografischen Comics, den der französische Zeichner Renaud Roche und sein Szenarist Laurent Hopman mit ausgesprochen filmischen Mitteln gestaltet haben, „George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars“.
Der assoziative Originaltitel „Les guerres de Lucas“ klingt noch kämpferischer und verweist zugleich auf eine prekäre Vorgeschichte, die mit einer rebellischen Jugend, einem lebensbedrohlichen Autounfall und einem Filmstudium an der University of Southern California beginnt. Dort wird aus dem stillen und etwas verträumten jungen Mann mit dem phantasievollen Innenleben, der zuvor ein schlechter Schüler war, allmählich ein ambitionierter Regisseur. Trotz offensichtlicher Schwächen und kommunikativer Probleme reüssiert George Lucas Ende der 1960er Jahre mit einem experimentellen SF-Kurzfilm und hat nach seinem wenig beachteten Debütfilm „THX 1138“ (1970) mit „American Graffitti“ einen ersten großen Erfolg. Dennoch bleiben die großen Studios, gegen deren Macht die neue Filmemacher-Generation des New Hollywood antritt, in Bezug auf Lucas‘ „Star Wars“-Projekt äußerst skeptisch und halten den aufstrebenden Regisseur vertraglich im Ungewissen. Sein langer Weg ist also auch ein Kampf gegen die Macht des Geldes. Unterstützt und ermutigt wird er dabei unter anderen von seinen Kollegen Francis Ford Coppola und Steven Spielberg sowie von der Cutterin Marcia Lou Griffin, die er bereits zuvor geheiratet hat.
Inspiriert von den Comic-Helden seiner Jugend und mit Referenzen an Filme von Akira Kurosawa („Die verborgene Festung“) und Fritz Lang („Metropolis“), soll „Star Wars“ ein optimistischer Film zum Träumen und mit einer universellen Bedeutung werden. Damit das Unechte möglichst realistisch wirkt, möchte Lucas einen unkonventionellen Umgang mit Bild, Ton und Montage kreieren. Technische Neuerungen, die Rekrutierung des Teams, ein langwieriger Casting-Prozess und finanzielle Risiken bilden den strapaziösen Auftakt zu einer Reihe von Problemen, die sich bei chaotischen Dreharbeiten in Tunesien und England fortsetzen.
Mit einer einfachen, klaren Schwarzweißzeichnung und wenigen erzählerischen Erläuterungen schildern die beiden französischen Comic-Künstler eine schier unglaubliche Erfolgsgeschichte, die zugleich eine abenteuerliche Initiation ins Filmgeschäft ist. Witzige Dialoge federn dabei die Schwere des Themas ab, während ein reduzierter, sehr sparsamer Einsatz von Farbe an ausgesuchten Stellen sehr wirkungsvoll dramatische Akzente setzt und Stimmungen hervorhebt.
Als der endlich fertige Film im Mai 1977 dann zunächst in nur wenigen Kinos startet, trotzdem aber bald zu einem riesigen Erfolg wird, bleibt George Lucas zurückhaltend. Das Titelbild der Graphic Novel zeigt ihn in der Einöde der tunesischen Wüste vor einer glutrot untergehenden Sonne: abgewandt, nachdenklich und allein. Zumindest an dieser Stelle seiner zukünftigen Heldenreise ist noch nicht entschieden, ob sich die Träume der Kindheit mit seinen künstlerischen Ambitionen vereinen lassen, bevor diese schließlich von einer übermächtigen Kommerzmaschine verschluckt und vermarktet werden.
Hier gibt es eine weitere Kritik zu „George Lucas“.
Renaud Roche (Zeichner), Laurent Hopman (Szenarist): George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars • Aus dem Französischen von Christoph Haas • Splitter Verlag, Bielefeld 2024 • 208 Seiten • 29,80 Euro
Wolfgang Nierlin, geboren 1965. Studium der Germanistik, Philosophie und Psychologie in Heidelberg. Gedichtveröffentlichungen in den Zeitschriften metamorphosen und Van Goghs Ohr. Schreibt Film- und Literaturbesprechungen für Zeitungen (Rhein-Neckar-Zeitung, Mannheimer Morgen u. a.) sowie Fachzeitschriften (Filmbulletin, Filmgazette u. a.). Langjährige Mitarbeit im Programmrat des Heidelberger kommunalen Karlstorkinos.