Jan-Michael Richter alias Jamiri wurde am 3.5.1966 in Hattingen geboren. Man versuchte damals, ihn anthroposophisch zu erziehen, was seine leichte Reizbarkeit erklärt. Er studierte Kommunikationsdesign an der ehemaligen Folkwang-Fakultät der GHS Essen, was seine Hinwendung zum Brotlosen erklärt. Was die Beurteilung seiner Arbeit durch das deutsche Feuilleton angeht, hat der malade Diabetiker das dickste Fell der Welt. Er ist öffentlichkeitsscheu und lebt und arbeitet an einem streng geheimen Ort im Ruhrgebiet. Edition 52 präsentiert mit „Hikikomiri“ das 20. Album von Jamiri. Michael Hüster führte mit dem Künstler anlässlich des Jubiläums das folgende Interview.
Wie bist du ursprünglich zum Comiczeichnen gekommen? Inwieweit war dein Studium zielführend?
Ich habe als kleiner Junge schon Asterix nachgezeichnet und meine Pubertät und Jugend mit „ZACK“ und „Schwermetall“ verbracht. Ich war von Haus aus bereits verseucht. Das Studium wollte aus mir einen Düsseldorfer Werbeagenturfuzzi machen, aber es war schon längst zu spät.
Was war deine erste Publikation und wo wurde diese abgedruckt?
Ein Cartoon in dem Bochumer Kulturmagazin „bospect“, Studentenprojekt, 1988, unbezahlt. Dann „Marabo“, Ruhrgebiets-Kulturmagazin, bezahlt, ab 1992, dann „Unicum“, Hochschulmagazin, bundesweit, 600.000 Auflage, auch bezahlt, ab 1993. Und alles ab da in Farbe.
Deine Alben sind inzwischen bei diversen Verlagen erschienen. Wie kam es zu den Wechseln?
Das haben im Grunde immer die Verlage unter sich verhackstückt. Es flossen z. B. große Summen Geld für Rechte, als ich seinerzeit von „Unicum“ zu Carlsen wechselte. Sechsstellig. Völliger Irrsinn. Und ich habe als Autor keinen Cent davon gesehen. Verleger sind ein komisches Volk. Meine Odyssee von „Unicum“ über Eichborn, uni-edition, Klett, Konturblau, Reclam u. a. bildet das gut ab.
Deine aktuelle verlegerische Heimat ist die Edition 52. Wie entstand die Verbindung?
Ich antwortete damals impulshaft gereizt auf einen Newsletter. Ich sagte, wenn ich damit schon ungefragt behelligt würde, könnten sie genauso gut mein nächstes Buch verlegen. Daraufhin meldete sich Uwe, und seitdem machen wir es so. Was das Menschliche angeht, und ohne das komm ich nicht klar, fühle ich mich überhaupt erstmals gut aufgehoben. Kein Geschacher, keine idiotischen Junglektoren, keine Vertreterkonferenz usw. Künstlerische Freiheit plus emotionale Rückendeckung. Ich bin wie ein Fisch im Wasser. Uwe und ich sind Freunde geworden. So muss das sein.
Dein neuestes Werk heißt „Hikikomiri“. Hat was Biografisches… erzähl mal…
Ich bin wieder in mein Elternhaus gezogen. Der berühmte Künstler wohnt wieder bei Mama und Papa. Ich schlafe wieder in meinem Kinderzimmer. „Hikikomiri“ ist auch ein schonungsloser Enthüllungsbericht. Und dabei sehr, sehr lustig. Eigentlich heißt das „Hikikomori“. Das ist ein japanischer Begriff für einen zwanghaften Stubenhocker. Den Buchtitel gab es aber schon, beim Piper Verlag, glaub ich. Das hätte rechtliche Probleme geben können. Also hab ich aus der Not ’ne Tugend gemacht und das praktisch nur spezifiziert. So wurde Hikikomiri draus.
Wie wichtig ist für dich der Fankontakt? Wie erreichen dich die Rückmeldungen zu deinen Büchern?
Durch die sozialen Medien hat sich der Kontakt zu den Lesern sehr intensiviert. Im Grunde gibt es dank Facebook & Co. seit einer Weile einen ständigen Austausch mit den Fans. Früher waren es Leserbriefe oder Gästebuch-Einträge. Heute ist es eher ein permanenter Dialog, von dem beide Seiten nur profitieren können. Das ist wirklich toll. Man hat zwar auch Trolle dabei, aber das war ja auch früher schon so. Man lernt einfach sehr schnell sehr viel darüber, wie unterschiedlich man gelesen werden kann. Ich hatte ja keinen Schimmer.
Jamiri, vielen Dank für das Interview!
Eine längere Version dieses Interviews findet sich im ZACK-Magazin #297.
Jamiri: Hikikomiri • Edition 52, Wuppertal 2024 • 48 Seiten • Hardcover • 17,00 Euro