Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist

Im neuen „Lucky Luke“-Band „Letzte Runde für die Daltons“ trifft der lonesome cowboy auf deutsche Einwanderer samt ihrer Bierkultur.

Nicht nur auf Hawaii gibt es kein Bier, sondern auch im gesamten Wilden Westen. Schon seit einem ganzen Monat nicht mehr. Grund ist ein Generalstreik der Arbeiter in den Brauereien der amerikanischen Bierhauptstadt Milwaukee. Als Lucky Luke in dem Städtchen Neumünchen einen Arzt aufsucht, erfährt er von der Misere und lässt sich überreden, nach Milwaukee zu reiten, um dort zwischen den scheinbar unversöhnlichen deutschstämmigen Parteien – hier die Bierbarone, dort die Brauereiarbeiter – zu vermitteln. In der „Brew City“ angekommen trifft er zwar mit dem Apachen Doppelköpfiger Adler einen alten Bekannten, beißt aber ansonsten auf Granit, sowohl bei den Streikenden als auch bei „Colonel“ Frederick Martz, dem Boss der größten Brauerei der Stadt. Die Fronten bleiben verhärtet, bis der Gouverneur von Wisconsin einen folgenschweren Entschluss fasst, bei dem auch die Daltons ins Spiel kommen.

Deutsche Einwanderer und deren Lieblingsgetränk stehen im Mittelpunkt des neuen „Lucky Luke“-Bandes, bei uns als Nr. 102 geführt (im frankobelgischen Raum als Band 11; dort wurde die Reihe mit dem Antritt des Morris-Nachfolgers Achdé 2004 neu gestartet) und zugleich der fünfte von Autor Jul geschrieben Band. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten in Milwaukee bis zu zwei Drittel Deutschstämmige, die dort ihr Bier brauten, wie sie es aus der alten Heimat gewohnt waren. Schließlich entstanden feudale Brauereikomplexe, geführt von wohlhabenden Bierbaronen wie Friedrich „Frederick“ Pabst, der als Präsident der Pabst Brewing Company Vorbild für die Figur des Frederick Martz in diesem Band ist. Bis heute feiert Milwaukee übrigens das jährliche „German Fest“, in dem der Gerstensaft im Mittelpunkt steht.

Der Band, das vorweg, sprüht nur so von Humor – gelungene Gags, Anspielungen auf deutsche Marotten und Gebräuche und natürlich Klischees. Dabei ist die Gag-Dichte hoch, ohne jedoch den Fokus auf die Story zu verlieren. Beispiele: Eine Lulu Marlene tanzt im Blue Angel Saloon, man liebt und befolgt Ordnung und Regeln (Stichwort Ampel), trinkt bei jeder Gelegenheit sein Bierchen. In der Oper wird natürlich Wagner gegeben (inklusive Muppets Opas), Martz („Eine deutsche Besetzung nimmt kein gutes Ende“) verschenkt Bierkästen als Belohnung, der Sherriff heißt Benz und trägt einen dreizackigen Stern. Die Streikenden sind marxistisch auf Linie, überall hängen Marx-Portraits als Karikatur. Sogar einen Verweis auf Winnetou hat Jul eingebaut. Und auch Trump – heute leider ganz aktuell –, bzw. der deutsche Vorfahr wird nicht vergessen.

Dazu gesellt sich der Serien-typische Humor, der ebenfalls bestens, weil unaufdringlich in die Geschichte eingebunden ist: Luke pflegt seinen eigenen Mythos, indem er einmal mehr schneller ist als sein Schatten. Und natürlich sind die Daltons mit von der Partie, die im letzten Band nur eine Nebenrolle spielten. Nur werden sie diesmal in Lederhosen gesteckt. Der verschlagene Joe glänzt wie immer mit seiner Wut auf Luke, und auch Averell ist nicht weder klüger geworden (gleiches gilt natürlich für Rantanplan) noch weniger hungrig. Ein unterhaltsamer und witziger Band, für Deutsche natürlich erst recht. Zeichnerisch bleibt alles beim alten – im besten Sinne. Achdé pflegt den Stil von Morris und streut gelegentlich großformatige, opulente Panels ein, da gibt es nichts zu meckern.

Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de

Jul (Autor), Achdé (Zeichner): Lucky Luke Band 102: Letzte Runde für die Daltons • Aus dem Französischen von Klaus Jöken • Egmont Comic Collection, Berlin 2024 • 48 Seiten • 7,99 Euro (SC), 15 Euro (HC)

Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.

Alle Abb. © Story House Egmont