Good Fella – „The Penguin“

Lauren LeFrancs Mini-TV-Serie „The Penguin“ erzählt eine Aufsteiger-Crime-Story auf Augenhöhe mit den modernen Klassikern des Genres.

Der Pinguin war immer einer der seltsameren Superschurken aus dem Batman-Universum. In den Comics und den früheren Verfilmungen war er eine groteske Erscheinung, die manchmal tatsächlich eine Art Mensch-Pinguin-Hybrid darstellte. Er wirkte auch nur selten wirklich gefährlich, sondern meist eher komisch.

Das ist in Lauren LeFrancs HBO-Mini-TV-Serie zum Glück ganz anders. The Penguin, mit bürgerlichem Namen Oz Cobb, ist hier ein leicht gehbehinderter, übergewichtiger, feister Mann in seinen 50ern, der als kleiner Unterboss in der Mafia von Gotham City relativ unscheinbar seine Verbrechersachen macht. In Wahrheit ist Cobb aber ein ungemein ehrgeiziger und gleißend intelligenter Psychopath, der zu jedem, wirklich jedem Mittel greift, um sich langsam nach ganz oben zu arbeiten. Und so intrigiert und mordet sich der „Pinguin“ durch seine Konkurrenz. Derweil erwächst ihm in Gestalt der Mafiapaten-Tochter Sofia Falcone/Gigante eine ebenso rücksichtslose Gegenspielerin, denn auch Sofia will die Unterwelt beherrschen und kennt dabei keine Skrupel…

Dies ist glücklicherweise kein Superhelden-Quatsch, sondern ein Crime-Drama, das in seinen besseren Momenten nahezu an den Goldstandard, den „Die Sopranos“ im Genre gesetzt haben, herankommt. Colin Farrell in der Titelrolle ist brillant und Cristin Milioti als Sofia ebenso. Auch die Nebenrollen sind sehr gut besetzt. Geschrieben ist die achtteilige Serie sehr überzeugend und klug. Wir kriegen zu sehen, wie die beiden einander bekämpfenden Monster zu solchen wurden bzw. welche Ereignisse die schon vorhandene Monstrosität verstärkten, und die letztliche Sinnlosigkeit der illegalen Variante des Kapitalismus (wie auch der legalen) wird hübsch bloßgestellt.

Ich hörte, es gibt Stimmen, die nicht gut finden, dass hier Colin Farrell schwer auf fett und „hässlich“ geschminkt wird und man stattdessen nicht einen Darsteller engagiert hat, der diese Eigenschaften von Natur aus mitbringt. Diesbezüglich hatte ich auch Bedenken, aber nach Sichtung der Serie sage ich dazu: Schauspieler wie Farrell wachsen nicht auf den Bäumen. Er bringt etwas mit, das nur er mitbringen kann, weswegen ich auch nach kürzester Zeit bei Auftritten des Pinguins nicht mehr gedacht habe: „Ey, das ist ja der Farrell, aber in schwerer Maske.“

Kurz: „The Penguin“ hat mir sehr gut gefallen und gehört nicht nur im Superhelden-Genre (eher Superschurken-Genre, aber wie gesagt ist hier nichts „super“ oder „übernatürlich“) zu den besten Kurzserien, die ich in den vergangenen Jahren gesehen habe.

The Penguin
USA 2024

Regie: Lauren LeFranc – Drehbuch: Lauren LeFranc – Produktion: Dana Robin, Nick Towne, Corina Maritescu, Claudine Farrell – Kamera: Darran Tiernan, Jonathan Freeman, David Franco, Zoë White – Schnitt: Henk Van Eeghen, Meg Reticker, Andy Keir – Darsteller: Colin Farrell, Ryder Allen, Cristin Milioti, Rhenzy Feliz, Michael Kelly, Carmen Ejogo – Länge: 47-68 Min. – Anbieter (D): Sky, WOW

Bernhard Torsch ist freier Publizist und schreibt u. a. für KONKRET, Jungle World, Jüdische Allgemeine und Prinzessinnenreporter.de.

Abb. oben © HBO/Max