Aus der Pressemitteilung:
240 Zeichnerinnen und Zeichner hatten ihre Werke für den Deutschen Cartoonpreis eingereicht. Das Ergebnis wurde am 10. Januar in Kassel bekanntgegeben: Der erste Platz geht an den Münchner Markus Grolik für seine Darstellung des Büros als Ort der Stabilität.
Aus mehr als 4.000 Motiven ermittelte die Jury die drei Gewinner-Cartoons des vom Lappan Verlag und der Frankfurter Buchmesse vergebenen Deutschen Cartoonpreises: Groliks Home-Office im Büro auf dem ersten Platz, Miriam Wursters Cartoon zu KI-generierten Fernsehbildern von Demonstrationen auf Platz zwei, gefolgt von Hauck & Bauers Zeichnung zur Entfremdung von Menschen von ihrem Land auf Platz drei. Den mit Unterstützung der Stadt Kassel ausgelobten Publikumspreis der Ausstellung „Beste Bilder – Die Cartoons des Jahres 2024“ erhält Oli Hilbring für seinen mit einer Wärmepumpe konfrontierten Weihnachtsmann. Grundlage für die Teilnahme am Cartoonpreis sind die Einsendungen, die im Buch „Beste Bilder 15 – Die Cartoons des Jahres 2024“ enthalten sind.
Der Deutsche Cartoonpreis 2024 ist dotiert mit 3.000 Euro für den 1. Preis, 2.000 Euro für den 2. Preis, 1.000 Euro für den 3. Preis und ebenfalls 1.000 Euro für den Publikumspreis. „Beste Bilder“, die offizielle Ausstellung zu dem begehrten Preis ist noch bis zum 16. Februar in der Caricatura Galerie in Kassel zu sehen.
Platz 1
Markus Grolik
Begründung der Jury:
Markus Groliks prämierter Cartoon greift mehrere hochaktuelle Themen auf: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einer Welt, die zunehmend von Wohnungsnot, steigenden Mietpreisen und fehlenden Betreuungsmöglichkeiten geprägt ist. Vom Fehlen einer echten Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ganz zu schweigen. Er bohrt damit ein dickes Brett, denn es gelingt ihm, in nur einem Bild, aber auf mehreren Ebenen zu zeigen, wie all diese Probleme sich gegenseitig bedingen. Grolik nutzt dazu das Mittel der Umkehrung: Die Arbeit wird nicht mit nach Hause genommen, sondern die Care-Arbeit mit ins Büro. Es ist nicht die Mutter, die versucht, Kinderbetreuung und Beruf auf einen Nenner zu bringen, sondern der Vater.
Überhaupt zeichnet sich dieser Cartoon durch die völlige Absenz von Frauen aus. In dem hierarchiefrei strukturierten Großraumbüro, in dem auch der Chef zusammen mit den anderen im Raum sitzt, arbeitet weit und breit keine Frau: Sie existieren einfach nicht, ebenso wie Männer noch sehr oft einfach nicht mitgedacht werden, wenn es um Kinderbetreuung geht. Und die ist in Deutschland ja immer noch und derzeit verstärkt ein Riesenthema, da Kitaplätze trotz Rechtsanspruch Mangelware sind. Genauso wie bezahlbarer Wohnraum. In diesem Cartoon ist nicht das Zuhause der Ort der Stabilität, sondern das Büro. Es wird zum Heim, weil man sich ein eigenes mit Kindern einfach nicht mehr leisten kann. Mit seinem Cartoon schafft Grolik einen vielschichtigen Kommentar zu den gesellschaftlichen Herausforderungen des modernen Lebens, das er in einem Bild und mit wenigen Strichen verdichtet. Die Jury war sich einig, dass Markus Grolik damit den ersten Platz des Deutschen Cartoonpreises 2024 verdient hat.
Platz 2
Miriam Wurster
Begründung der Jury:
Wir erinnern uns an den Anfang des Jahres 2024. Das Bekanntwerden eines Treffens von Rechtsextremisten und Politikern der AfD in Potsdam (Ende 2023) mobilisierte deutschlandweit Millionen von Bürgerinnen und Bürgern, die wochenlang für Demokratie und gegen rechts auf die Straße gingen, um zu zeigen: Wir sind das Volk, wir sind mehr und die AfD ist keine demokratische Partei. Vor dem Hintergrund dieser Protestwellen befasst sich Miriam Wursters Cartoon mit bewusster und technisch beeinflusster verzerrter Realitätswahrnehmung. Wir sehen einen Mann mit AfD-Zettel an der Wand an seinem Computer vor einer Nachrichtensendung sitzen, in der die Demonstrationen gezeigt werden, die man zeitgleich durch sein Fenster sehen kann. Miriam Wurster lässt ihren Protagonisten das sagen, was tatsächlich im Kontext der Demonstrationen von der extremen Rechten behauptet wurde, nämlich, dass die Bilder der Massendemonstrationen durch KI erzeugt worden wären. Gleichzeitig macht sie die Realität durch den Blick aus dem Fenster sichtbar – ein Betrachtungswinkel, der jedoch beharrlich vom Protagonisten ignoriert wird: Er fährt fort, die Realität zu leugnen und bewahrt die eigene ideologische Weltsicht. Darüber hinaus illustriert der Cartoon die wachsende Entkopplung zwischen digitaler und realer politischer Teilhabe. Wurster macht damit deutlich, dass die Demokratie von realem, gemeinschaftlichem Handeln lebt. Es ist ein Appell an alle demokratischen Betrachter, sich weiter aktiv für den Erhalt einer demokratischen Gesellschaft einzusetzen und sich kritisch mit den Herausforderungen von Fake News, KI und der realen politischen Teilhabe auseinanderzusetzen.
Platz 3
Hauck & Bauer
Begründung der Jury:
Ein Haus brennt lichterloh, die Feuerwehr ist im Rettungseinsatz, um eine eingeschlossene Person aus tödlicher Gefahr zu retten – doch die will sich nicht von einem Staatsdiener helfen lassen. Hauck & Bauer thematisieren in diesem Cartoon mit wenigen Strichen und einem Satz die Entfremdung von Teilen der Bevölkerung von ihrem Land und seinen staatlichen Institutionen. Der Cartoon spitzt das auf eine Totalverweigerung zu, die auch im Angesicht des Todes keine Zugeständnisse macht. Die Verachtung des Staates zeigt die Wortwahl „unter einer Decke stecken“, also heimlich und unbeobachtet im Verborgenen irgendwelche Machenschaften aushecken – das ist das Bild, das der Hausbewohner vom Staat hat. Der Cartoon ist unglaublich komisch, die Fallhöhe ist riesig, wenn es um Leben und Tod geht, ist doch eigentlich jedem vollkommen egal, wer einen rettet, Hauptsache, man wird gerettet. Auf den zweiten Blick appelliert der Cartoon aber eben auch an die Betrachtenden, die sich als Teil einer demokratischen Gesellschaft verstehen, sich zu engagieren, anstatt zu „wutbürgern“ und über das richtige Maß des eigenen Tuns und Denkens zu reflektieren.
Publikumspreis
Oli Hilbring
Oli Hilbrings Cartoon mit dem Weihnachtsmann, der unschlüssig ist, ob er durch die Wärmepumpe krabbeln soll, erhielt von den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung „Beste Bilder – Die Cartoons des Jahres 2024“ in der Caricatura Galerie in Kassel die meisten Stimmen. Er erhält den Publikumspreis des Deutschen Cartoonpreises, der mit Unterstützung der Stadt Kassel ausgelobt wurde und mit 1.000 Euro dotiert ist.
Die Jury des Deutschen Cartoonpreises 2024:
Birgit Fricke (Senior Manager Vertrieb, Frankfurter Buchmesse), Antje Haubner (Programmleiterin Lappan Verlag), Dr. Alex Jakubowski (Journalist, Medientrainer, Lehrbeauftragter und Buchautor), Jana Legal (Lektorin Lappan Verlag), Dijana Nukic (Leiterin Havengalerie in Bremen), Dieter Schwalm (Herausgeber zahlreicher Cartoonbücher), Saskia Wagner (Leiterin Caricatura Galerie).