Trostlose Aussichten – „Our Bones Dust“

Ben Stenbeck ist mit seinen atmosphärischen Zeichnungen eigentlich im Mignolaverse zu Hause. Jetzt hat er mit der postapokalyptischen Story „Our Bones Dust“ seine erste Mini-Serie veröffentlicht.

Einmal mehr ist alles hinüber bei uns auf der Erde, irgendwann in hoffentlich ferner Zukunft. Und zwar so richtig. Was noch lebt und sich als Mensch bezeichnet, ist degeneriert und verroht. Die Sprache hat massiv gelitten, von den Sitten ganz zu schweigen – man betreibt Kannibalismus. Die Welt ist verödet, man muss eben essen, was da ist, um zu überleben. Was alles andere als einfach ist, stellen doch zusätzlich alte, inzwischen fehlprogrammierte Maschinen eine weitere Bedrohung dar. Auch Wasser ist rar und kostbar. So lebt man vor sich hin, auf und mit den Trümmern und den kümmerlichen Resten der einstigen Zivilisation.

So weit, so bekannt. Bis gleich zum Einstieg unsere beiden höchst unterschiedlichen und originell angelegten Protagonisten auftauchen. Zum einen Attis, eine Art Archäologie-KI aus fernen Welten, die in einer Mischung von Roboter und Alien engelsgleich durch die Lüfte schwebt. Attis‘ Aufgabe ist es, diese Welt zu erforschen. Sich in die Belange der Menschen einzumischen ist dabei strengstens verboten – eine Regel, die Attis geflissentlich umgeht. Zum anderen treffen wir auf ein namenloses Kind, das wie aus dem Nichts auftaucht und kein Wort spricht. Das Kind, das Wasser gestohlen hat, wird deshalb unerbittlich verfolgt, bis Attis versucht, sich seiner anzunehmen.

Den Neuseeländer Ben Stenbeck kennt man in erster Linie als langjährigen Zeichner von Serien und Titeln aus Mike Mignolas Comic-Universum, von „Hellboy“ über „Frankenstein Underground“ bis zu „Baltimore“. „Our Bones Dust“, im Original bei Image Comics in vier Heften erschienen, ist sein erstes Projekt, das er komplett in Eigenregie verantwortet. Dabei scheut er nicht, das raue Dasein in dieser Welt drastisch darzustellen. Es gilt das Recht des Stärkeren. Gefangene werden gemacht, um sie zu verspeisen oder einzutauschen. Dazu kommt die rohe, rudimentäre Sprache, mit der man sich verständigt. Auch das Kind weiß sich übrigens vehement zu wehren.

Demgegenüber steht Attis, ein wissenschaftlicher Alleskönner in schlanker, weiß-leuchtender Gestalt, wie ein Fremdkörper in dieser tristen Ödnis. Attis ist so eloquent wie gesittet. Er sieht mehr in der verwüsteten Erde als sein Kollege Poena, der in der Erdumlaufbahn ungeduldig auf ihn wartet. Attis greift wider besseres Wissen massiv und heimlich in die Geschicke der Menschen ein, indem er das Kind retten und unter seine Fittiche nehmen will.

Ben Stenbeck schafft eine trostlose Welt, ohne Grün, voller Ruinen, die der Sand und die Zeit langsam verschlucken. Dabei erweist er sich nicht nur als sorgfältiger Erzähler mit originellen Einfällen, er präsentiert auch rüde Action-Sequenzen rund um seine Hauptfiguren, die sich regelmäßig durch den Band ziehen, und weiß dabei auch handlungstechnisch zu überraschen. Am Ende werden längst nicht alle Fragen beantwortet, womit sich Stenbeck eventuell ein Hintertürchen offen lässt, noch einmal diese öde Welt zu besuchen. Wir hätten nichts dagegen.

Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de

Ben Stenbeck: Our Bones Dust • Cross Cult, Ludwigsburg 2025 • Softcover • 144 Seiten • 22 Euro

Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.