Schrittweise zum Reisebüro – „Metropolia“

In seiner zweiten frankobelgischen SF-Serie zeigt der Berliner Comickünstler Ingo Römling ein dystopisches Berlin der Zukunft, in dem Schritte zur neuen Währung geworden sind.

Meilen sammeln mal anders: Im Berlin des Jahres 2099 läuft man oder fährt Rad. Autos sind aus der Stadt, inzwischen die größte Europas, verbannt. Fliegen können sich nur die Superreichen leisten, denn durch die allgemeine Energieknappheit wurde Reisen zum absoluten Luxus, weshalb die meisten Bürger die Stadt gar nicht mehr verlassen. Die Fußwege werden belohnt, man sammelt Schritte, um vielleicht einmal im Leben verreisen zu können. Sie sind neben dem Euro zu einer zweiten Währung geworden. Auch Privatdetektiv Sascha Jäger wünscht sich, zu seiner Freundin Alif zu reisen, die in Memphis, Tennessee lebt. Das Metropolia-Konsortium betraut ihn mit einem Auftrag. Er soll noch vor der Polizei den Mord an einem wohlhabenden Ingenieur aufklären. Die Spur der Mörderin, die auf der Flucht einen vernetzten Schuh verloren hat und daher Aschenputtel genannt wird, führt in das Floria, einen gigantischen Wohnturm, der Metropolia gehört. Als verdeckter Ermittler zieht Jäger in das Florian ein und stößt schon bald auf einen weiteren Mord, ehe im letzten Drittel des Bandes der mächtige „Endgegner“ aus dem Schatten tritt.

„Metropolia“ ist der Auftakt der zweiten frankobelgischen Reihe aus der Feder Ingo Römlings (nach „Die Chroniken des Universums“), diesmal von Autor Fred Duval geschrieben, der mit „Reset“ bereits eine bemerkenswerte Science-Fiction-Serie geschrieben hat. Das Duo entwirft hier ein Zukunfts-Szenario im hochtechnisierten Berlin. Paradoxerweise ohne Autos – das Motiv der Schritte als Währung ist dabei nur eine der originellen Ideen, die den Hintergrund der Story bilden. Aber: Trotz der allgegenwärtigen und allumfassenden Digitalisierung – selbst „damenlose“ Schuhe lassen sich per Chip zurückverfolgen – geschehen Verbrechen. Auch ganz spektakulär in aller Öffentlichkeit.

Kombinationsgabe ist also weiterhin gefragt. Daher wird Privatermittler Sascha Jäger von Metropolia (worüber man noch wenig erfährt) engagiert, der bald merkt, das hinter dem Mord noch viel mehr steckt, was dann in einem actionbetonten Showdown zum Tragen kommt. Ingo Römlings charakteristischer runder Strich, der irgendwo zwischen Realismus und Funny changiert, steckt einmal mehr voller Details und passt bestens zur Story, in der schließlich doch ein Automobil, nämlich ein Mercedes 300 SL, freilich mit E-Antrieb, eine Rolle spielt. Der in sich abgeschlossene Band, der auch als limitierte Vorzugsausgabe erhältlich ist, bietet einen faszinierenden Einstieg in einen Krimi-Plot mit außergewöhnlichem Setting.

Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de

Fred Duval (Autor), Ingo Römling (Zeichner): Metropolia. Band 1: Berlin 2099 • Aus dem Französischen von Tanja Krämling • Splitter Verlag, Bielefeld 2025 • Hardcover • 56/96 Seiten • 17/35 (VZA) Euro

Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.