GUNG HO – Überlebenskampf im endzeitlichen Hormon-Dschungel

Pauline steht auf Zack. Zack will aber eigentlich eher was von Yuki. Die findet ihn auch gut, aber der arrogante Schönling Holden hat ebenfalls Interesse bei ihr angemeldet. Das alles wäre gar nicht so ungewöhnlich, wären die aufblühenden Jugendlichen nicht Bürger von „Fort Apache“, einer endzeitlichen Festung in einer entvölkerten, von wildgewordenen, monströsen Affenkreaturen heimgesuchten Welt. Rund um die rebellischen Waisenbrüder Zack und Archie, die hier ihre letzte Chance auf soziale Integration in einer lebensbedrohlichen Welt bekommen solle, erzählt „Gung Ho“ die farbenfroh leuchtende und beeindruckende Geschichte einer allzu menschlichen Gemeinschaft am Ende der Zivilisation.

Wer nach der zugegeben etwas provokant-plakativen Einführung eine lauwarme Teenie-Seifenoper mit Actioneinschlag vermutet, hat die Rechnung ohne das deutsche Kreativteam aus Autor Benjamin von Eckartsberg und Künstler Thomas von Kummant gemacht. „Gung Ho“ ist authentisch, spannend, bissig-sozialkritisch, kurzweilig und wunder-, wunderschön. Die leuchtenden, konturlosen Charaktere erinnern an aufwändig produzierte Trickfilme und agieren vor eindrucksvollen Landschaftsmalereien. All das geschieht aber in einer durch die widrigen Umstände ausgesprochen feindseligen Welt, die ihnen ein unzumutbares Maß an militärischer Disziplin abverlangt. Fort Apaches korrupter Stadthalter Bagster ist ein Bilderbuch-Widerling, der junge Mädchen in die Medikamentenabhängigkeit treibt, um sich über Tauschhandel ohne Konsequenzen an ihnen zu vergehen. Der Rest der desillusionierten Erwachsenenwelt verbirgt ihre Empathielosigkeit hinter einem Schild aus vorgeschobenem, inkonsequentem Verantwortungsbewusstsein.

Die farbenfrohe Freude, die „Gung Ho“ mit seinem renaturisiertem Setting fernab von Industrie-Burgen und versmogten Großstädten vermittelt, sowie die Lebensfreude und Hoffnung der „Festungsjugend“ verleihen den opulent inszenierten Hardcoverbänden ein ganz eigenes Flair, weit fernab von schmutzigen, grau-braunen Genre-Standards. Trotz all seiner gefühlvollen und intelligenten Seiten, trotz der geschickt zitierten Liedtexte, die Endzeit-Peter-Pan Archie auf seiner abgenutzten Akustik-Klampfe intoniert, wehrt sich „Gung Ho“ erfolgreich gegen die Schwermut und betont hochkulturelle Tiefe, die manche Jugend-Graphic-Novel so gestelzt und abgehoben wirken lässt. Große, herrlich überzeichnete Momente wie ein Kuss auf einer Motocrossmaschine zwischen der mit einem Katana bewaffneten Yuki und dem vernarbten Zack, während im Hintergrund eine Horde wildgewordener Monsteraffen auf sie zu galoppiert, setzen goldrichtige Akzente ohne jemals deplatziert oder albern zu wirken.

Auch wenn Sex und Gewalt selbstredend und genrebedingt einen festen, auch grafischen Platz in „Gung Ho“ haben, ist der Einsatz im Vergleich zur nach immer neuen Grenzübertretungen geifernden „Konkurrenz“ doch eher spärlich und die herausragende Reihe auch für ein nicht ganz volljähriges Publikum interessant. Denn federführend sind hier nicht spritzendes Blut und schweißtreibende Triebbefriedigung, sondern Lebensfreude, Liebe und Hoffnung. Die Wartezeit auf den voraussichtlich 2019 erscheinenden vierten und vorletzten Band wird unerträglich lang.

B. von Eckartsberg, T. von Kummant: Gung Ho. Cross Cult, Ludwigsburg 2014-2017. Bislang 3 Bände. Je 80 Seiten / 22,00 Euro.