Es gibt nicht viele deutsche Künstler, die auf internationalem Niveau tätig sind und über Jahre hinweg ein lesenswertes Werk nach dem anderen fabrizieren. Isabel Kreitz führt die Riege dieser Künstler an, wie ihre neueste Graphic Novel „Rohrkrepierer“ erneut sehr beeindruckend zeigt.
Sie arbeitet erneut nach eigenem Skript, wie schon bei „Die Entdeckung der Currywurst“ ist es aber ein Roman, den sie adaptiert. Grundlage ist der 2011 erschienene, autobiographische Roman „Rohrkrepierer“ von Konrad Lorenz, der von seiner Nachkriegskindheit- und –jugend erzählt.
Die Geschichte ist zweigeteilt. Der weit größere Teil befasst sich mit dem jungen Kalle, dessen Leben auf den Kopf gestellt wird, als der tot geglaubte Vater zurückkehrt. Der zweite Teil zeigt dann, wie es dem jugendlichen Kalle ergeht.
Kreitz fängt die Geschichte mit den für sie charakteristischen Schwarzweißzeichnungen ein. Sie erzählt präzise von einer Jugend der Entbehrungen, aber auch dem immensen Hunger, einer Trümmerwelt zu entkommen und es im Leben zu was zu bringen. Das funktioniert nicht für alle Figuren, es ist ein Mikrokosmos Deutschlands, der hier dargestellt wird, mit allem Glück, allem Leid und allem, was dazwischen liegt.
„Rohrkrepierer“ fügt sich in Kreitz‘ beachtliches Werk ein und setzt es zugleich fort. Sie erzählt wie kaum eine andere von echten Menschen in echten Situationen, hier jedoch mit weit mehr Hoffnung und Lebensfreude als bei „Haarmann“, ihrer Graphic Novel aus dem Jahr 2010 über den Serienkiller. Für diese bekam sie damals den Sondermann-Preis für den besten Comic. 2012 wurde Kreitz mit dem Max-und-Moritz-Preis als Beste deutsche Zeichnerin gewürdigt. „Rohrkrepierer“ unterstreicht, wieso sie zu Deutschlands besten Comic-Schaffenden gehört.
Isabel Kreitz, Konrad Lorenz: Rohrkrepierer. Carlsen, Hamburg 2015. 304 Seiten, € 26,99