„Der Fährmann“ – Die Suche nach dem Paradies in der Postapokalypse

Ein Ableger aus der Welt von „Jeremiah“.

faehrmann-cvrIn fast jeder postapokalyptischen Welt gibt es irgendwo das Paradies, einen mythisch-mystischen Sehnsuchtsort, zu dem manch einer der letzten Überlebenden in der Hoffnung aufbricht, dort ein besseres Leben zu finden. Meist gibt es diesen Ort gar nicht oder er entpuppt sich als tödliche Falle, aber das gehört zum Motiv quasi dazu.

Interessanterweise gibt es diesen Ort in der langlebigen postapokalyptischen Comicserie „Jeremiah“ nicht, die der Belgier Hermann (Huppen) seit über dreißig Jahren schreibt und zeichnet und die es mittlerweile auf sagenhafte 34 Bände gebracht hat. Und dabei hätte die Welt, in der der Titelheld und sein Kumpel Kurdy unterwegs sind, ihn doch bitter nötig, ist sie doch zersetzt von Stadtstaaten, die von miesen Typen aller Couleur tyrannisiert werden. Bis das Duo auftaucht, sich die Sache nicht mit ansehen kann und zumindest für den Moment für Ruhe sorgt. Und dann lakonisch weiterzieht.

Das Fehlen eines Paradieses in „Jeremiah“scheint Hermanns Sohn Yves H. keine Ruhe gelassen zu haben, der mittlerweile bei jedem zweiten Album seines Vaters als Szenarist fungiert. Und nachdem die beiden erst kürzlich den großartigen Rachethriller „Old Pa Anderson“ vorgelegt haben, kommt nun „Der Fährmann“ (Erko-Verlag), ein Band, der durchaus als „Spin-Off“ von „Jeremiah“ verstanden werden kann. Im Geiste sowieso, aber auch, weil auf Seite 2 ein ziemlich prägnantes Bild auftaucht, das in mancherlei Hinsicht stellvertretend für die postapokalyptische Welt von Hermann steht. Und ja, im Schatten der zerstörten Monobahn sitzt ein Typ mit Feder am Helm, der ohne Zweifel Kurdy ist, der prollige Kumpan Jeremiahs.

Aber mehr als diese Hommage – oder diesen Gastauftritt, ganz wie man will – gibt es nicht. Ansonsten steht „Der Fährmann“ ganz für sich und begleitet ein anderes Duo, Sam und Samantha, auf der Suche nach jenem diffusen Paradies in einer desolaten Landschaft nach dem Untergang der Zivilisation. Sie wissen nicht viel darüber und der Weg dahin ist teuer.

Man ahnt schnell, dass das nicht gut ausgehen kann und die Huppens geben sich auch keine Mühe, das zu verschleiern. Aber in dieser Welt ist selbst das kleinste bisschen Hoffnung besser als gar keine, aber selbst das kleinste bisschen Hoffnung ist bestensfalls trügerisch, schlimmstenfalls eine Lüge. Und so nimmt die Geschichte ihren unerbittlichen Verlauf und nimmt zunehmend surreale Züge an. Dass hier Realität und Wahn, Traum und Albtraum, Leben und Tod längst nicht mehr zu trennen sind, illustrieren die ständig wechselnden Farben und Formen des Himmels, unter dem die Figuren eine klassische Tragödie ausspielen.

Bis am Ende alle Farben weichen.

 Yves H., Herman: Der Fährmann. Erko-Verlag, Wuppertal 2016. 56 Seiten, € 14,95