Spätestens seit Frank Millers großartiger gleichnamiger Miniserie, die 1983/84 erschien, weiß man, was ein Ronin ist: ein herrenloser Samurai. Wie es der Zufall so will, war 1983 auch das „Geburtsjahr“ eines weiteren, berühmten Comic-Ronins: Usagi Yojimbo („Yojimbo“ ist Filmfreaks ebenfalls ein Begriff, nämlich aus Akira Kurosawas gleichnamigem Samurai-Epos), von Stan Sakai erschaffen und bis zum heutigen Tag von ihm geschrieben und gezeichnet. In den USA wie in Deutschland erschien die Reihe bei diversen Verlagen. Ihre amerikanische Heimat liegt seit geraumer Zeit bei Dark Horse, dort sind bereits 160 Hefte erschienen. Hierzulande brachte Carlsen 1996/97 sechs Bände heraus, danach folgten bis 2010 elf Ausgaben bei Schwarzer Turm (die nicht mit den Carlsen Usagis identisch sind), wobei hier die Bände 1-4 und 8-14 erschienen. Wie man sieht, klafft in dieser Veröffentlichungshistorie eine Lücke, die sich der neue Dantes Verlag nun anschickt zu füllen, beginnend mit Band 5, wobei Format und Design der Carlsen- und Schwarzer Turm-Bände übernommen und beibehalten werden (was das Buchregal erfreut).
Los geht’s mit dem wunderbaren Titel „Die Rückkehr des blinden Schwertschweins“. Hier trifft Usagi einen alten Bekannten aus Band 2 (Schwarzer Turm) wieder: Zato-Ino, der blinde Schwertmeister, der inzwischen mit einer Holznasen-Prothese wieder riechen kann, will sich aufgrund des „Nasenvorfalls“ an Usagi rächen und bekommt unverhofft Gelegenheit dazu. In „Die Klinge der Götter“ trifft Usagi erstmals auf den mysteriösen, unheimlichen Jei, der übersinnliche Kräfte zu haben scheint und der offenkundig dem Wahnsinn verfallen ist. Mit Gen gibt sich weiterer alter Bekannter in „Der Oware Becher“ die Ehre. Das Schlitzohr schafft es, den gutgläubigen Usagi zu seinem Vorteil einzuspannen, was beinahe in die Hose geht. Die abschließende Episode dreht sich um „Das Geschenk“ (als deutsche Erstveröffentlichung) , ein wertvolles Schwert, das dem Shogun überreicht werden soll, das aber in einem dreisten Coup gestohlen wird. Usagi heftet sich dem Dieb auf die Fersen. Der Band beschließt mit einem kleinen Crossover Schmankerl aus dem Kuriositäten-Kabinett: in einer witzig-skurrilen Episode trifft Usagi auf Leonardo von den „Teenage Mutant Ninja Turtles“, der kurzfristig aus seiner Zeit „gefallen“ ist.
Das wichtigste optische Merkmal der Reihe ist die anthropomorphe Darstellung der Figuren im Funny-Stil, die ein Gegenpol zur durchaus ernsten Handlungs-Gestaltung darstellt. Usagi ist ein Hase, der sich die Ohren zusammengebunden hat. Zato-Ino kommt als Schwein daher, Gen als Nashorn und Jei als dämonischer Wolf. Nebenpersonen werden als Bären, Hunde, Katzen oder Affen gezeichnet. Dabei überwiegen menschliche Eigenschaften, nur Zato-Ino verlässt sich als Blinder auf seine schweinischer (Prothesen-)Nase. Wirklich interessant aber wird die Serie, die bereits in den Neunzigern mit mehreren Eisner Awards ausgezeichnet wurde, durch die intelligent wie originell erzählten Geschichten, deren Aufbau und deren Auflösung. Hier haben wir es mit jeweils abgeschlossenen Storys zu tun. Auf seiner Wanderschaft begegnet Usagi verschiedenen Personen, die fein charakterisiert sind. Dabei folgt die Handlung keinem festen Schema und nur selten wird die Episode durch plumpe Klopperei aufgelöst (wenngleich genügend Action geboten wird). So wird der Kampf gegen den scheinbar übermächtigen Jei von höheren Mächten (vorübergehend) entschieden, was der Geschichte gänzlich eine mystische Aura verleiht. Bei der Begegnung mit Zato-Ino tritt der zuerst antreibende Rachegedanke dann gänzlich in den Hintergrund.
Stan Sakai, 1953 in Kyoto geboren, stieg als Letterer von Sergio Aragonés‘ „Groo, der Wanderer“ in das Comic-Geschäft ein (daher auch der im Band enthaltene In-Joke). Er schuf und schafft mit „Usagi Yojimbo“ wohl die japanischste aller „nicht-japanischen“ Historien-Serien (das Manga Genre mal ausgeklammert). In seinen Geschichten spielen Ehre, Vergebung und Edelmut eine gewichtige Rolle. Garniert sind diese mit einem subtilen, oft spitzbübischen Humor, für den die schillernden Figuren verantwortlich sind. Usagis Comeback hierzulande stellt zweifelsohne eine Bereicherung des deutschen Comicmarktes dar. Ersten Aussagen von Verlagschef Josua Dantes nach soll mit dem kommenden Doppelband Nr. 6/7, von dem es ebenfalls nur 300 Exemplare geben und der die Lücke in der Schwarzer Turm-Reihe schließen wird, noch nicht Schluss sein. Unveröffentlichtes Material ist ja auch noch in Hülle und Fülle vorhanden.
Stan Sakai: Usagi Yojimbo, Band 5: Die Klinge der Götter. Dantes Verlag, Mannheim 2017. 104 Seiten, 12 Euro