Vorwärts in die Vergangenheit – „Die neuen Fälle von Rick Master“

Buck Danny, Bob Morane, Rick Master. Altgediente franko-belgische Comic-Recken mit klassischen, lange laufenden Serien, die auch seit Jahrzehnten Comicleser hierzulande fesseln. Alle drei, so unterschiedlich ihre Genres auch sein mögen, haben seit kurzem etwas gemeinsam: sie erleben neue Abenteuer in neu gestarteten Serien, gestaltet und geschrieben von neuen Kreativ-Teams. Wobei Buck Danny und Rick Master trotzdem in der Vergangenheit, in einer vergangenen Serienepoche stattfinden. Während „Die neuen Abenteuer von Buck Danny“ im Koreakrieg einsetzen, beginnen „Die neuen Fälle von Rick Master“ im Paris des Jahres 1968:

Band 1, „R.I.P. Rick!“ startet gleich mit einem Paukenschlag. Philippe Manière, ein ehemaliger Polizei-Inspektor und jetzt Profi-Gangster, genannt das Chamäleon, lauert Rick auf. Als perfekter Doppelgänger will er dessen Platz übernehmen, um sich an Kommissar Bourdon zu rächen. Ein gewagter Plan, der aufgrund der akribischen Vorarbeit – sogar Ricks Stimme imitiert er perfekt – zu gelingen scheint. Bourdon soll sterben und der echte Rick Master soll, perfide eingefädelt vom Doppelgänger, als Sündenbock drapiert und als Täter überführt werden – aufgrund gefälschter Beweise, versteht sich. Kann der echte Rick die Tat verhindern (blöde Frage, sicher…)? Band 2, „Morde im französischen Garten“, beginnt mit einem Mysterium: eine junge, attraktive Frau küsst im Jardin du Luxembourg einen Mann, der danach sofort an einem Herzinfarkt stirbt. Bald finden Rick und Kommissar Bourdon heraus, dass es im Park in den letzten Tagen mehrere Todesfälle durch Herzinfarkt gab. Eine gemeinsame Spur der Ermordeten führt nach Algerien. Dann taucht die Unbekannte wieder auf und es gibt einen neuen Todesfall. Nur langsam kommt Rick den Taten und dem Motiv näher. Und wird selbst zum Ziel der tödlichen Dame…

Ein Neustart kann auch eine Bürde sein. Jahre und Jahrzehnte Serien-Geschichte können schwer auf den Schultern der „Neuen“ lasten. Einerseits fühlt man sich verpflichtet, frischen Wind und neue Ideen einzubringen, andererseits darf man das Vermächtnis der Reihe nicht verraten und muss charakteristische Eigenschaften und das Personen-Ensemble beibehalten, auch der Wiedererkennung und der altgedienten Leserschaft wegen. Autor Zidrou, alias Benoît Drousie (u.a. Percy Pickwick, Die Adoption – beides bei toonfish, bzw. Splitter) und Zeichner Simon Van Liemt umschiffen nicht nur all diese „Gefahren“, sie gehen mit der Problematik beinahe spielerisch und augenzwinkernd um und zeigen dabei eine profunde Kenntnis der Serien-Historie: Diverse Fälle aus der Frühzeit der Reihe kommen zur Sprache (auch Herrn Chamäleon finden wir bereits in Band 1 der Gesamtausgabe, der in Kürze erscheint) und Ricks charakteristischer gelber Porsche wird thematisiert. Professor Hermelin erhält eine gefälschte Einladung, die ihn geradewegs auf das Dach des Lombard-Verlagshauses führt. Ricks weißer, gepunkteter Sakko wird ironisch kommentiert und mit Rick und Nadine, der Nichte des Kommissars, scheint es endlich ernst zu werden.

Apropos ernst: bei all den Anspielungen und ironischen Zitaten vergessen die Autoren die Story und v.a. in Band 1 die Dramatik nicht. Die Hochzeit einer wichtigen Serienfigur endet tragisch und spätestens ab hier weiß der Leser: kein Spaß, Ricks Doppelgänger meint es ernst, dem Original bleibt hier nunmehr eine Statistenrolle – erst gegen Ende kann der echte Rick wieder vollen Einsatz zeigen. Die mordende, unbekannte Femme Fatale im zweiten Band – der erfreulicherweise so ganz anders gestrickt ist – dient dann als spektakulärer Aufhänger, hinter dem sich nach und nach Verdächtige herauskristallisieren und eine schlüssige Story mit veritablem Motiv entsteht. Hier kann Rick seine detektivische Spürnase auch endlich gewinnbringend einsetzen. Während Band 1 als Thriller daherkommt, stehen im Nachfolger die klassischen Krimi-Elemente, allen voran die Suche nach dem Täter bzw. der Täterin im Vordergrund. Und eventuell werden, da ein Handlungsstrang nicht weiter ausgebaut wird, die Weichen für die Fortsetzung gestellt, die jedoch auch im Original bei Lombard noch nicht erschienen ist.

Was man als altgedienter Rick Master Leser akzeptieren muss: anders als bei den „Neuen Abenteuern von Buck Danny“, wo Jean-Michel Arroyo sich der Tradition von Victor Hubinon verpflichtet fühlt, ist Van Lients Zeichenstil anders und hat mit der klassischen Linienführung Tibets kaum etwas gemein. Es finden sich auch weniger Details in den Panels, die Hintergründe sind karger. Dennoch muss man dem Strich Van Liemts eine gewisse Eleganz attestieren, die v.a. bei der Darstellung der Personen (die junge Nadine ist bestens „gelungen“), verbunden mit dem zeitlichen Umfeld des Jahres 1968, zum Ausdruck kommt. Sein Stil erinnert bisweilen an den des ganz jungen Hermann, vielleicht mit einigen Anklängen an David Mazzucchelli. Inhaltlich punkten die beiden Bände, sie bieten reichlich Spektakel, Tragik und Spannung, ganz so, wie ein „Rick Master“ sein muss. Tibets und Duchâteaus Serien-Fußstapfen sind zwar naturgemäß groß, aber Zidrou und Van Liemt scheinen sich darin sichtlich wohl zu fühlen.

Zidrou, Simon Van Liemt: Die neuen Fälle von Rick Master, Band 1: RIP, Rick! Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 56 Seiten in Farbe, Hardcover, 14,80 Euro

Zidrou, Simon Van Liemt: Die neuen Fälle von Rick Master, Band 2: Morde im französischen Garten. Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 56 Seiten in Farbe, Hardcover, 14,80 Euro