Immer mal wieder schauen Helden in Nios Dungeon vorbei. Die meisten scheitern an irgendwelchen grobschlächtigen Monstern mit breiten Schultern, riesigen Hauern und eindrucksvollen Hörnern. Bis zu Nio dringen die meisten Abenteurer gar nicht vor. Und wenn sie es doch tun, dann unterschätzen sie den freundlich und (für Dämonenverhältnisse) unscheinbar aussehenden Jungen meistens. Nios geheime Dämonenkraft ist das „Demon Mind Game“, das ihm Zugang zur Gedankenwelt jedes Angreifers gewährt, der dumm oder uninformiert genug ist, Nio ins Gesicht zu schlagen. Der Sieger aus diesem Duell in den Hirnwindungen des Feindes darf dem unterlegenen Kontrahenten im Anschluss eines seiner besonderen Talente abnehmen und fortan selbst nutzen. Auf diese Art und Weise ist der spitzbübisch grinsende Junge mit den Hörnern bereits zu einer beachtlichen Anzahl an Fähigkeiten gekommen, mit denen er insgeheim eines Tages den König der Dämonen im Kampf stellen will…
Wow. Tokyopop Deutschland verfügt inzwischen über ein erstaunliches Arsenal extrem eindrucksvoller Inhouse-Produktionen mit jeweils ganz individuellen Stärken. Nach anfänglicher Irritation über die auffällige Reduktion des charakteristischen Füleki-Humors offenbart sich „Demon Mind Game“ als extrem ausgereifte Fantasy-Erzählung, die unverhofft und verblüffend japanisch wirkt, obwohl der zwar junge, aber bereits erstaunlich renommierte Künstler doch eigentlich aus Deutschland kommt. Vielleicht liegt das am typischen, videospielartigen Aufbau des Szenarios, das er mit genau der gleichen, überzeugenden Selbstverständlichkeit beschreibt, wie es sich eine japanische Produktion durch das Vorwissen ihrer Zielgruppe leisten könnte, ohne trockene Fußnotenerklärungen zu liefern, die nur den Lesefluss stören würde.
Nios titelgebende Dämonenfähigkeit bietet viel erzählerischen Spielraum für vergleichsweise komplexe Gedankenschlachten, die zwar ähnlich aufregend dargeboten werden wie in Dragonball, Naruto und Co., aber wesentlich unvorhersehbarer und deshalb auch frischer daherkommen als konservative Feuerball-Teleporter-Aufwärtshaken-Gerangel. Bereits im ersten Band überrascht „Demon Mind Game“ auch mit einigen interessanten und tatsächlich eher schwer vorhersehbaren Wendungen, die in Shonen-Manga – wenn überhaupt – erst deutlich später die Bühne betreten.
Eine Comicarbeit, in der gleichzeitig soviel Liebe zu ihrer Tradition zu erkennen ist, wie auch intensive und talentierte Mühe das Genre sinnvoll zu erweitern und zu modernisieren, ist ein seltener Glücksgriff. Und die Fans von David „Def“ Füleki und seinem sehr speziellem Humor dürfen aufatmen. Auch wenn man etwas deutlicher hinschauen muss, gibt es natürlich auch einige augenzwinkernde Ausreißer. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Nios Pokémonesquer Dämonen-Fifi auf den exotischen Namen „Sudoku“ hört?
David Füleki: Demon Mind Game 1. Tokyopop, Hamburg 2017. Taschenbuch, 200 Seiten, 4,95 Euro.