Kein Sprit mehr im Tank – „Dan Cooper“

Zum Abschluss eine Premiere – einmal mehr ein Beweis dafür, dass sich Autor/Zeichner Albert Weinberg auch nach jahrzehntelanger Serien-Historie nie auf seinen Lorbeeren ausruhte (wie man auch anhand der zahlreichen internationalen Titelbilder, die in dieser Ausgabe auf drei Seiten gesammelt sind, sieht): der erste und einzige „Dan Cooper“-Zweiteiler, erstaunlicherweise erst jetzt in deutschen Erstveröffentlichung und damit auch für die hiesigen Leser noch eine weitere Premiere. Denn gleich die letzten drei „Dan Cooper“-Alben gab es zuvor noch nie auf Deutsch zu lesen und sind erstmals in diesem finalen, dreizehnten Band der mächtigen und beeindruckenden Gesamtausgabe der Abenteuer des kanadischen Fliegerhelden abgedruckt.

Die beiden Alben „Die Geisel von der Clemenceau“ und „Alarm auf der ‚Clem‘“ erschienen als Spätwerk Weinbergs in den Jahren 1990 und 1991. Beim Versuch, vermeintliche Schiffbrüchige im Auge zu behalten, strandet Dan auf dem französischen Flugzeugträger Clemenceau (inzwischen übrigens verschrottet). Dort trifft er auf die Bordärztin Anne-Lise. Nach einem Erdbeben in der Türkei startet die Clemenceau eine Hilfsmission – Anne-Lise soll in Kappadokien ein Feldlazarett aufbauen und leiten. Doch wird sie dort von Kurden entführt, die sich dadurch eine stärkere Verhandlungsposition erhoffen. Außerdem soll der Terrorist Hawat Saleh freigepresst werden – eine Forderung, auf die sich der französische Geheimdienst überraschend schnell einlässt. Doch der Geiselaustausch läuft schief und eskaliert. Anne-Lise bleibt in Gefangenschaft. Um sie freizubekommen, beteiligt Dan sich an einem Unternehmen, das ihn bis nach Afghanistan führt. Zwei Löschflugzeuge sollen in den Oman überführt werden, doch der eigentliche Zweck des Fluges ist Waffenschmuggel. Wieder taucht Hawat Saleh auf. Der ist Doppelagent und soll für die Franzosen einen Terroristenring infiltrieren, spielt aber ein falsches Spiel…

Albert Weinberg (Text und Zeichnungen): „Dan Cooper. Gesamtausgabe Bd. 13“.
Aus dem Französischen von Uwe Löhmann. Splitter, Bielefeld 2018. 184 Seiten. 34,80 Euro

In dem Zweiteiler strickt Weinberg eine komplexe Geschichte, die sich des Nahost-Konflikts als Hintergrund bedient, mit seiner komplizierten wie unübersichtlichen politischen Gemengelage: Volksgruppen ohne Land, mächtige Warlords, internationaler Terrorismus, illegaler Waffenhandel, vermeintliche Chemiewaffen-Fabriken und v. a. die Interessen der Drittstaaten aus der „Ersten Welt“. Dabei schafft er den Spagat, die Story nicht in trockener Konflikt-Politik aufgehen zu lassen – noch immer scheint ein typisches Dan Cooper Abenteuer durch (beispielsweise seine „Tarnmission“, um Anne-Lise zu befreien), nur mit etlichen aktuellen Bezügen. Damit geht Weinberg wieder einmal mit der Zeit und schafft eine Aktualität, die in weiten Teilen auch heute noch, fast 30 Jahre nach Erscheinen des Albums, gültig ist. Trotzdem ist sich Weinberg seines Serien-Erbes bewusst: Als mit Anne-Lise wieder eine starke Frau in der Reihe auftritt, wird erneut der tragische Tod Randis thematisiert, als einschneidendes Trauma für Dan, das in den späteren Alben der Reihe immer wieder aufgegriffen wurde.

Auf zum finalen Akt: „Das Auge des Tigers“ erschien im Original 1992 als 41. und letztes Album der Reihe. Schauplatz der Story ist einmal mehr Deutschland. Wieder schafft Weinberg einen aktuellen Kontext: Der Kalte Krieg ist vorüber, Deutschland wiedervereinigt. Dan ist wieder in Baden Baden stationiert. Aufgrund der politischen Entspannung werden immer mehr Fliegerstaffeln aufgelöst. Ein Schicksal, das auch Dan und seine Kameraden treffen könnte. Mitten in diese neue Situation platzt die Meldung, dass eine SR-71, ein US-Spionageflugzeug, eine Nachricht auffing, die aus Fotografien einer ultrageheimen Karte besteht. Dan wird, anfangs ohne es zu ahnen, in einen Spionagefall hineingezogen, in dem alte Stasiseilschaften, persönliche Schicksale und einmal mehr ein Terrorist entscheidende Rollen spielen. Denn die heimlichen Aufnahmen entstanden auf der Basis in Baden Baden. Und was hat es mit der Operation „Trojan Horse“ auf sich? Erneut eine komplex und breit angelegte Geschichte, mit vielen Nebenschauplätzen und Personen. Auch wenn seine Zeichnungen nicht mehr die Präzision vergangener Tage zeigen (außer bei den Flugzeugen natürlich) – Story-technisch bleibt Weinberg auch bei diesem letzten Album absolut auf der Höhe.

Bis zum Schluss serviert er auch die gewohnten Risszeichungen und Erklärungen zu neuen Flugzeugtypen, Spezialausrüstungen oder Fliegerabzeichen (die Spionagekameras der SR-71, der Tarnkappenflieger F-117 etc.). Der Sekundärteil beschäftigt sich natürlich auch mit der Tatsache, dass die letzten drei Alben gerade in Deutschland, wo „Dan Cooper“ doch u. a. aufgrund seiner Präsenz in „Zack“ eine große Fangemeinde gewinnen konnte, nicht erschienen sind und liefert dafür Erklärungsversuche. Dazu gibt es einen Einblick in „Agent Special“, Weinbergs letzte Serie abseits von „Dan Cooper“, der leider kein Erfolg beschieden war und die nach nur einem Album 1993 eingestellt wurde. Drei Kurzgeschichten, die nach dem offiziellen Ende der Reihe anlässlich von Sonderausgaben erschienen (darunter ein Wiedersehen mit Vicky, der feschen griechischen Reiseleiterin), sind ein weiteres Schmankerl, das den interessierten Leser erfreut. Damit liegen alle „Dan Cooper“ Geschichten auf Deutsch vor. In einer mehr als vorbildlichen und umfassenden Gesamtausgabe. Was nun? Von Albert Weinberg gibt es schließlich noch mehr. Barracuda? Aquila? Die Vicky-Kurzgeschichten? Come on, Splitter, da geht noch was!

Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de

Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.