Historischer Blick auf die Provence – „Der Ruhm meines Vaters“

Zu den Großmeistern der französischen Literatur zählt Marcel Pagnol. Die Werke des Schriftstellers und Dramaturgen zählen im französischen Sprachraum zur Schullektüre, die auch erfolgreich verfilmt wurden. Gelesen habe ich nur wenig von ihm, gesehen immerhin einige der Verfilmungen. Ein Buch, das mich faszinierte, ist „Der Ruhm meines Vaters“. Dabei handelt es sich um ein wundervolles Porträt eines Jungen und seines Vaters, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in der Provence viel Zeit miteinander verbringen.

Im Splitter Verlag ist eine gelungene Comic-Adaption des Klassikers erschienen. „Der Ruhm meines Vaters“ fängt den Geist des Originals ein, gibt die Wärme der Provence und der Vater-Sohn-Beziehung gleichermaßen wider – ein Beispiel dafür, dass klassische Romane durch eine Graphic Novel in schöner Art und Weise modernisiert werden können.

Serge Scotto (Text), Éric Stoffel (Text), Morgann Tanco (Zeichnungen): „Der Ruhm meines Vaters“.
Aus dem Franfösischen von Harald Sachse. Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 96 Seiten. 19,80 Euro

Wobei der Begriff „Roman“ hier kaum stimmt. Pagnol beschreibt in diesem Buch seine eigene Jugend; der Autor war Jahrgang 1895 und bekam das „einfache Leben“ auf dem Land jahrelang mit. Seine Schilderungen sind mal amüsant, mal ernsthaft, sie schildern die Höhen und Tiefen im Leben einfacher Menschen. Vor allem zeigt der Autor die Provence in den schönsten Farben, macht den Landstrich im Süden Frankreichs durch seine faszinierenden Schilderungen geradezu lebendig.

Tatsächlich kommt „Der Ruhm meines Vaters“ ohne spannende Elemente aus. Die Vorgeschichte der Eltern könnte sogar als langweilig empfunden werden – der Autor schafft es aber, so viel Sympathie für die kleinbürgerliche Existenz der Familie zu vermitteln, dass man ihrem Leben mit viel Spannung folgt. Auch der Aufenthalt der Familie in den Bergen der Provence verläuft praktisch ohne „Action“, sieht man von den harmlosen Abenteuern des Ich-Erzählers ab.

Serge Scotto und Eric Stoffel übernehmen die klassischen Texte von Marcel Pagnol ebenso wie seine ruhige Erzählweise. Die Kürzungen, die die Autoren vornehmen mussten, um den Roman in ein anderes Format zu übertragen, wirken nicht störend; der angenehme Plauderton des Originals bleibt ebenso erhalten wie die Abläufe der Geschichte – damit treffen sie den Geist des klassischen Romans.

Toll sind die Zeichnungen von Morgann Tanco, die durchaus realistisch anmuten und vor allem die schöne Landschaft immer wieder ins Zentrum stellen. Sie zeigen die Welt aus der Sicht eines kleinen Jungen, mit Tieren und Pflanzen, Menschen und Bergen, eine einzige Abfolge von gelungenen Bildern. „Der Ruhm meines Vaters“ ist ein gelungenes Beispiel für eine Graphic Novel, es ist ein Comic, den ich sicher noch oft in die Hand nehmen und durchblättern werde. Übrigens ist die direkte Fortsetzung ebenfalls erhältlich – „Das Schloss meiner Mutter“ erzählt weitere Geschichten aus der Provence, jedoch mit einem sehr traurigen Ende. Die Werke von Marcel Pagnol sind ohnehin empfehlenswert, und diese Comic-Umsetzung dürfte nicht nur frankophilen Lesern gefallen. Eine lohnende Lektüre!

Hier findet sich eine weitere Kritik zu „Der Ruhm meines Vaters“.

Dieser Text erschien zuerst auf: perry-rhodan.net

Klaus N. Frick ist Chefredakteur der Science-Fiction-Heftroman-Serie „Perry Rhodan“ sowie Autor zahlreicher Romane und Kurzgeschichten.