„Ich muss mir einbilden, Groenings Humor so weit zu verstehen, dass ich in seinem Sinne auch mal etwas freier übersetze“

Szene aus "Disenchantment" © Netflix

Vor wenigen Wochen startete Matt Groenings langersehnte Fantasy-Serie „Disenchantment“ auf Netflix. Wir haben Matthias Wieland – einen angestammten Groening-Übersetzer, der u. a. den Sammelband „Liebe ist die Hölle“ für Reprodukt ins Deutsche übertragen und nun auch an der Synchronfassung von „Disenchantment“ mitgewirkt hat – zu seiner Arbeit als Übersetzer befragt.

Matthias, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses kurze Interview genommen hast. Kannst Du uns zu Beginn erzählen, wie Du zur Tätigkeit als Übersetzer gekommen bist?
Ich habe 2000 beim Dino-Verlag in Stuttgart als Redakteur, eigentlich als „Jungredakteur“, angefangen – und dann bis zu meinem Ausscheiden 2003 die „Simpsons Comics“ redaktionell betreut. Da ich an den externen Übersetzungen immer recht viel rumgebastelt habe und man ohnehin wollte, dass ich die redaktionellen Seiten weiter verfasse, hat man mir damals die Übersetzung angeboten. Und weil ich bald darauf neben den „Simpsons Comics“, „Futurama“ usw. auch noch die deutsche Gesamtausgabe der „Peanuts“ übersetzen durfte, hatte ich zu meiner eigenen Überraschung plötzlich genug zu tun, um die Übergangstätigkeit zum Vollzeitjob werden zu lassen. Als ich dann auch noch für Reprodukt an den Trondheim-Bänden (u. a. „Donjon“, „Die erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase“, „Ralph Azham“) mitarbeiten durfte und für Carlsen an der „Calvin & Hobbes“-Kollektion, hatte ich fast bei allen Comics meine Finger im Spiel, die ich auch selbst geliebt habe. Für Reprodukt hab ich dann später unter anderem Craig Thompson („Weltraumkrümel“, „Habibi“), Luke Pearson („Hilda“) und Tove Jansson („Mumins“) übersetzt – und schließlich auch Matt Groening, womit sich der Kreis wieder geschlossen hat.

Worin liegen Deiner Meinung nach die Herausforderungen und Tücken beim Übertragen von Groenings Stoffen aus dem Englischen ins Deutsche?
Beim Übertragen von Groenings Stoffen muss man erst mal unterscheiden zwischen den erwachseneren, deutlich zynischeren Strips, die er als Cartoonist allein verantwortet (also die „Life in Hell“-Reihe, die ja bei Reprodukt erschienen ist) und den doch familienfreundlicheren Zeichentrickserien, an denen ja Dutzende AutorInnen und ZeichnerInnen mitwirken. Grundsätzlich muss man sich mit der amerikanischen Popkultur auskennen, da es viele Verweise in diese Richtung gibt. Beim Übertragen von humoristischen Stoffen bewegt man sich oft in dem Zwiespalt zwischen stoffgetreuer Übersetzung und humoristischer Funktion – bleibt man so nah wie möglich an dem, was im Original gesagt wird, oder wird man zugunsten der Aufgabe, die LeserInnen-/ZuschauerInnen zum Lachen zu bringen, kreativ?

Wie gehst Du vor, um Groenings Humor auch einem deutschsprachigen Publikum schlüssig und vor allem unterhaltsam zu machen?
Das ist heute einfacher und schwieriger zugleich. Einfacher, weil durch das Internet und die allgemeine Existenz einer weltweiten Popkultur die Menschen auch hierzulande viel von dem wissen/kennen, auf das die AmerikanerInnen anspielen. Schwieriger, weil es keinen allgemeinen Kanon gibt, was als bekannt vorauszusetzen ist, insbesondere, wenn das Publikum altersmäßig eine große Spanne abdeckt. Und weil gleichzeitig heutzutage die Dinge nicht einfach eingedeutscht werden können, weil unser internationales Bewusstsein größer ist. Ich kann also, wenn Bart Simpson im Original von David Letterman redet, nicht einfach die deutsche Variante Harald Schmidt einsetzen, weil auch Kinder, glaube ich, schon instinktiv spüren, dass Bart Simpson Harald Schmidt nicht kennt. Generell gilt beim Übertragen von Humor, dass man als ÜbersetzerIn einer gewissen Anmaßung fähig sein muss – ich muss mir einbilden, Groenings Humor so weit zu verstehen, dass ich „in seinem Sinne“ auch mal etwas freier übersetze.

Welche Schmankerl können wir von Groenings neuer Serie „Disenchantment“ erwarten?
„Disenchantment“ ist in vielerlei Hinsicht ein klassischer Groening-Stoff, diesmal haben er und seine Co-Autoren sich halt das Mittelalter (beziehungsweise die Fantasy) vorgenommen. Die Gags funktionieren ganz ähnlich wie bei „Futurama“, und man ertappt sich schon häufiger dabei, die Figuren mit ihren „Vorläufern“ aus Groenings anderen Serien zu vergleichen, aber das ist in meinen Augen nichts Schlimmes. Auch über den typischen Groening-Humor, den man hier wiederfindet, freue ich mich. Es gibt wie immer auch viel an kleinen Gags im Hintergrund zu entdecken. Diesmal wird noch mehr als schon bei „Futurama“ seriell erzählt, gerade in den letzten Folgen, worunter manchmal der Rhythmus etwas leidet, aber es ist ja auch erst die erste Staffel, die sogar mit einem deutlichen Cliffhanger endet. Außerdem ist der Humor streckenweise ein wenig brutaler. Entwaffnende, gute, schlichte Gags gibt es aber in jedem Fall auch in dieser Serie mehr als genug. Ich durfte ja die deutsche Fassung überarbeiten und bin selbst gespannt, wie viel davon übernommen wurde. Aber die ersten Trailer lassen mich da recht zuversichtlich sein.

Vielen Dank für die Einblicke, Matthias!

Dieses Interview erschien zuerst auf dem Reprodukt-Blog.