Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, „Conny“, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini (Jessy, Sternentänzer, Willi will‘s wissen) und Ravensburger (u.a. Fix und Foxi). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Steampunk-Serie „Malcolm Max“. Für comic.de blickt er in unregelmäßigen Abständen zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.
Hier findet sich der 1. Teil, hier der 2., hier der 4.
Die eigentliche Geschichte des „Malcolm Max“-Comics begann an einem Samstag im Sommer 2011. Nach einem arbeitsintensiven Vormittag wollte ich den Computer gerade herunterfahren, da dachte ich mir: Probier’s noch mal mit einer Zeichnersuche, nur fünf Minuten. Anders als sonst suchte ich an diesem Tag nicht nach Internetseiten von Zeichnern, sondern ich klickte auf Bildersuche. Als Ergebnis präsentierten sich mir unzählige Grafiken verschiedenster Künstler von unterschiedlichster Qualität.
Während ich den Bildschirm nach unten scrollte, sprang mir zwischen all den Bildern eine winzige, etwa fingernagelgroße Grafik einer sehr hübschen Frau ins Auge. Ich klickte darauf und kam auf die Homepage von Ingo Römling. Der Name war mir nicht geläufig, aber die Illustrationen waren außergewöhnlich gut. Ich speicherte den Link unter Favoriten ab, um mich später intensiver mit der Homepage zu beschäftigen. Anschließend setzte ich meine Suche auf Google fort. Zwischen unzähligen eher mittelmäßigen Illustrationen entdeckte ich wieder eine winzige, jedoch gekonnt gemachte Grafik. Ich klickte sie an und landete erneut auf der Homepage von Ingo Römling. So ging das noch drei oder vier Mal, dann stellte ich die Suche nach weiteren Kandidaten ein und widmete mich dem mir bis dato unbekannten Zeichner aus Frankfurt. Je mehr Illustrationen ich von ihm sah, desto mehr stieg sowohl meine Begeisterung über deren Qualität als auch meine Verwunderung, dass ich noch nichts von diesem außergewöhnlich talentierten Illustrator gehört hatte. Wie sich herausstellte, hatte er bislang wenige Comics gezeichnet: zwei Alben – „Varieté Obscur“ und „7 Jahre mit Garg“ – plus mehrere Cover und Kurzgeschichten für „Die Toten“ aus dem Zwerchfell Verlag.
Nachdem ich mich etwa zwei Stunden intensiv mit seinen Werken beschäftigt hatte, beschloss ich, ihn am nächsten Tag zu kontaktieren, wenn ich im Kopf „freier“ war. Außerdem wollte ich mir meine Hoffnung auf eine mögliche Zusammenarbeit nicht aufgrund seiner Absage zu rasch zerstören. Denn künftig würde ich alle in Frage kommenden Zeichner an Ingos Arbeiten messen, was wohl eher eine negative Erfahrung werden würde. Deshalb zögerte ich die Kontaktaufnahme hinaus, um zumindest das Wochenende in dem guten Gefühl zu schwelgen, möglicherweise den idealen Zeichner für „Malcolm Max“ gefunden zu haben.

Zwei oder drei Tage nachdem ich Ingo Römling, Illustration das erste „Malcolm Max“ Skript gemailt hatte, erhielt ich sein Feedback. Im Anhang schickte er gleich mehrere geinkte und kolorierte Charakterentwürfe von Malcolm Max…
Eigentlich rechnete ich so bald mit keiner Antwort. Im Grunde hatte ich Zweifel, ob überhaupt eine kam. Denn ein so guter Illustrator erhielt bestimmt des Öfteren Anfragen, ob er einen Comic zeichnen wolle. Und die wenigen Comics, die Ingo Römling bislang veröffentlicht hatte, ließen vermuten, dass er dazu keine große Lust verspürte. Zumal ein Grafiker mit Werbeaufträgen ein Vielfaches mehr mit bedeutend weniger Arbeitsaufwand verdient.
Zu meiner Überraschung fand ich am nächsten Morgen eine Mail von Ingo im Posteingang. Beim Öffnen erwartete ich eine in wenigen Sätzen verpackte höfliche Ablehnung meiner Anfrage. Doch die Mail war erstaunlich umfangreich. Ingo bekundete sein grundsätzliches Interesse an dem Projekt, ohne – aus verständlichen Gründen – schon jetzt eine konkrete Zusage zu geben. Er schlug ein Telefonat vor.Montags rief ich Ingo an. Nach meinen bislang negativen Erfahrungen mit deutschen Zeichnern ging ich das Telefonat zunächst mit der gebotenen Skepsis an. Aber je länger wir miteinander redeten, desto entspannter wurde die Unterhaltung und umso konkreter eine mögliche Zusammenarbeit. Wobei ich gleich klarstellte, dass für eine Veröffentlichung nur der Splitter Verlag in Frage käme. Es gab keine Doppelstrategie, keinen Plan „, es gab nur: Splitter oder nix. Würde der Verlag ablehnen, wäre es das Aus für „Malcolm Max“ gewesen. Die Serie einem anderen Verlag anzubieten, war seinerzeit für mich keine Option.
Noch am selben Tag schickte ich Ingo das inzwischen fertige Skript des ersten „Malcolm Max“-Albums plus das für einen Fantasy-Western (für den Fall, dass ihm das viktorianische Ambiente nicht gefallen sollte). Ebenso deren Exposés, damit er wusste, worum es in der Story geht, ohne gleich die jeweils an die zweihundert Seiten umfassenden Skripte durchlesen zu müssen. Außerdem legte ich eine ausführliche, mit Fotos von Schauspielern unterlegte Charakterisierung der Hauptfiguren bei. Für Malcolm Max schwebte mir jemand wie Robert Downey Jr. in der Verfilmung „Sherlock Holmes“ vor. Noch in derselben Woche erhielt ich Ingos Feedback. Das Skript gefiel ihm nicht nur, er schickte auch gleich mehrere geinkte und kolorierte Charakterentwürfe von Malcolm Max, Charisma plus einem in der Story vorkommenden Maschinenmenschen mit.Nun war es an der Zeit für den nächsten Schritt: Die Kontaktaufnahme mit dem Splitter Verlag. Ich schrieb eine Mail an die Verleger Delia Wüllner-Schulz, Horst Gotta und Dirk Schulz, in der ich Ingo, mich und unser Projekt vorstellte. Der Anhang enthielt Ingos erste Entwürfe, meine Charakterbeschreibung der Protagonisten, das Exposé der Story und das komplette Skript von „Malcolm Max“.
Einige Wochen warteten wir vergeblich auf Antwort. Möglicherweise war meine Mail ja in einem Spamordner gelandet oder stressbedingt bei den Verlegern in Vergessenheit geraten. Also verfasste ich eine neue Bewerbung. Wieder verstrichen mehrere Wochen ohne Feedback. Normalerweise hätte ich die zweite unbeantwortete Mail als „kein Interesse von Seiten des Verlages“ interpretiert und die Sache auf sich beruhen lassen. Aber „Malcolm Max“ war mir zu wichtig, um die Flinte so schnell ins Korn zu werfen. Zumindest wollte ich Gewissheit. Falls tatsächlich kein Interesse an unserem Projekt bestand, hätte ich dafür gern eine schriftliche Bestätigung des Verlages gehabt.Nach dem dritten Kontaktversuch erhielt ich eine Antwort von Horst Gotta. In seiner Mail bestätigte er die Vermutung, dass meine Mails in einem Berg Arbeit untergegangen war. Wir sollten ihm sieben Seiten des Comics schicken. Geinkt, koloriert, mit Textboxen und Sprechblasen versehen plus Cover mit Titelzug. Nach Sichtung und Bewertung des Materials würde man eine Entscheidung fällen, ob „Malcolm Max“ bei Splitter veröffentlicht würde oder nicht.
Ingo stürzte sich noch am selben Tag in die Arbeit. Als Erstes entwarf er das Cover für das Album. Kurz darauf folgte die erste Seite des Comics, die er später teilweise neu zeichnete, weil sie seinen Vorstellungen nicht mehr entsprach. Das Tempo, mit dem er Seite für Seite bei unverändert hoher Qualität fertigstellte, war atemberaubend. Bis zur sechsten Seite war mir klar, dass er ein sehr guter Illustrator war. Doch als ich das letzte Panel auf Seite sieben sah, wurde mir erst richtig bewusst, wie außergewöhnlich er war. Das Bild zeigt die zu Fall gekommene Fiona Pankhurst, die die meisten Zeichner vermutlich möglichst einfach, am Boden ausgestreckt, dargestellt hätten. Ingo dagegen zeigte sie diagonal ins Panel gesetzt von schräg oben in einer verdrehten Körperhaltung. Wer eine so anspruchsvolle Komposition dermaßen gekonnt umzusetzen vermag, der ist technisch hoch versiert.

Die Illustration zeigt die zu Fall gekommene Miss Pankhurst diagonal ins Panel gesetzt von schräg oben in einer verdrehten Körperhaltung. Wer eine so anspruchsvolle Komposition dermaßen gekonnt umzusetzen vermag, der ist technisch hoch versiert.
Die Erstveröffentlichung des Albums war für April 2013 vorgesehen. Zuvor wollte man unser Projekt aber bereits auf der Frankfurter Buchmesse im Rahmen von Splitters „Dritter Welle“ bzw. „Made in Germany 3.0“ präsentieren. Splitters dritte Phase, um rein deutsche Comicproduktionen im Programm zu etablieren. Außer Ingo und mir bestand die Gruppe aus den deutschen Ausnahmekünstlerinnen und -künstlern Marie Sann und Kai Meyer („Frostfeuer“) und Markus Heitz, Che Rigas Rossié und Yann Krehl („Die Zwerge“).
Am Freitag, dem 12. Oktober, fuhr ich von Bonn aus nach Frankfurt zur Buchmesse, wo Ingo und ich bis Sonntag unser Werk in spe vorstellen und signieren würden. Am Splitter-Stand lagen die druckfrischen Verlagskataloge aus. Auf einer Doppelseite wurde das erste „Malcolm Max“-Album beworben. Bis dahin war das Projekt für mich etwas Abstraktes, etwas in der Planung begriffenes, nicht Greifbares. Beim Anblick des Covers in dem Katalog wurde mir erstmals richtig bewusst, dass das Album tatsächlich Realität werden würde.
Kurz darauf lernte ich am Stand, wo es sehr familiär zuging, die Verleger Dirk Schulz und Horst Gotta kennen. Gegen Mittag traf auch Ingo ein. Bislang kannten wir uns „nur“ übers Telefon und Internet. Viel Zeit zum persönlichen Kennenlernen blieb allerdings nicht. Wir mussten zum Signierbereich. Dort kümmerte sich Olaf Preiss sozusagen als metaphorischer Fels in der Brandung darum, dass organisatorisch alles so lief wie geplant. Da es noch keine Alben zum Signieren gab, hatte Splitter dafür extra einen „Malcolm Max“-Kunstdruck anfertigen lassen.Nachdem die Messe die Tore geschlossen hatte, besuchte die gesamte Truppe von Splitter die von Klaus N. Frick und der „Perry Rhodan“-Redaktion ausgerichtete „Perry“-Party. Am nächsten Tag hatten Ingo und ich zwei Signiertermine. Dazwischen präsentierten alle Splitter-Künstler der „Dritten Welle“ auf einer Bühne ihre Werke. Als ich den Inhalt und die Besonderheit von „Malcolm Max“ in einem Satz zusammenfassen sollte, geriet ich etwas ins Schleudern. Genauso gut hätte man mich um eine Inhaltsangabe von Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“ in zehn Worten auffordern können. Dagegen vermittelten Ingos erste „Malcolm Max“-Seiten und einige seiner wunderbaren Charakterskizzen, die auf eine Wand projiziert wurden, einen informativeren Einblick in unseren Comic. Am Sonntagmittag hatten Ingo und ich einen letzten Signiertermin zusammen mit Kai Meyer, bevor wir uns von dem Splitter-Team verabschiedeten und die Heimreise antraten.

Auf der Frankfurter Buchmesse 2013 signierten wir unser Werk in spe.
Außerdem präsentierten weitere Splitter-Künstler auf einer Bühne ihre Werke.
Auf dem Foto unten von links nach rechts: Klaus Schikowski (Moderator), Yan Krehl und Marie Sann („Frostfeuer“), Che Rigas Rossié und Markus Heitz („Zwerge“), Ingo Römling und ich („Malcolm Max“) und Splitter-Verleger Horst Gotta.
Copyright der Fotos: Splitter Verlag und Joachim Sohn.
Zum Gratis-Comic-Tag im Mai 2013 spendierte der Splitter Verlag eine 38-seitige „Malcolm Max“-Leseprobe im Kleinformat. Im Juni 2014 erschien das zweite „Malcolm Max“-Album unter dem Titel „Auferstehung“. Der dritte Band „Nightfall“ schloss im Juni 2016 den ersten Zyklus der Serie ab. Fast zeitgleich veröffentlichte Splitter zum 10-jährigen Verlagsjubiläum zehn jeweils auf 1111 Exemplare limitierte edle Prachtbände mit Tiefenprägung und Golddruck. Das zweite Buch der Reihe war eine Gesamtausgabe der ersten drei „Malcolm Max“ Alben. 2017 und 2018 erschien „Malcolm Max“ auch in Polen und Schweden. In Polen ist die Erstausgabe von Malcolm Max „Body Snatchers“ bereits vergriffen. Am 19. Februar 2019 veröffentlichte „Splitter“ das vierte Album „Blutrausch“.
Fortsetzung folgt…

Eigentlich war der Auftritt von Emmeline und Miranda nur für zwei oder drei Panels gedacht. Doch dann entwickelten die Mädchen ein Eigenleben und mauserten sich zu wichtigen Figuren der Serie.

Zum Abschluss der Buchmesse luden uns Dirk Schulz und Horst Gotta zum Essen in ein rustikales Bayerisches Bierhaus ein, wo Anke Resch-Wenzek zur vorgerückten Stunde dieses Foto von Che Rigas Rossié, mir und Olaf Preiss machte.

Zum Gratis-Comic-Tag im Mai 2013 spendierte der Splitter Verlag eine 38-seitige „Malcolm Max“-Leseprobe im Kleinformat.

Anlässlich der Veröffentlichung des ersten Albums signierten Ingo und ich im Frankfurter „T3 Terminal Entertainment“ …

Im April 2013 war „Body Snatchers“ termingerecht auf den Markt gekommen und erreichte Platz 5 in den Verkaufs-Charts der Comic-Alben.

Zu der Zeit arbeitete Ingo Römling bereits am zweiten „Malcolm Max“ Abenteuer, während ich das Skript für den dritten Band schrieb.