„Petronia hat ihr Wohlfühlgewicht“

Katharina Greves Formexperiment „Das Hochhaus“ fand sich 2017 auf vielen Bestenlisten und zählte zweifellos zu den wichtigsten Veröffentlichungen des Jahres (hier spricht Greve über den Band). Vor wenigen Tagen erschien ihr neuestes Werk „Die dicke Prinzessin Petronia“, eine Persiflage auf Antoine de Saint-Exupérys Kinderbuchklassiker „Der kleine Prinz“. Comic.de präsentiert das Presse-Interview mit Katharina Greve mit freundlicher Genehmigung des Avant-Verlags.

Liebe Katharina, vielen Dank, dass du dich wieder mit uns für ein kurzes Gespräch zusammensetzt. „Die dicke Prinzessin Petronia“ ist wie dein letztes Projekt „Das Hochhaus“ vom Format her ein klassischer Fortsetzungsstrip. „Das Hochhaus“ hatte, anders als „Petronia“, ein viel strikteres Grundkonzept, in dem du deine Mini-Storys erzählen musstest. Wie blickst du auf „Das Hochhaus“ zurück? Hat dir das Erzählen in seinem Formatkorsett Spaß gemacht oder genießt du es mehr, freier zu erzählen und zu zeichnen wie jetzt in „Petronia“?
Für „Das Hochhaus“ war das Konzept entscheidend und es war schön, das Haus Woche für Woche im Internet in die Höhe wachsen zu sehen. Daher hat mich die formale Einschränkung nicht gestört. Sie hat mir sogar Zeit verschafft, Details zu zeichnen, die sonst bei einem wöchentlichen Serien-Rhythmus gern zu kurz kommen, vom Kräutertöpfchen in der Küche bis zum Trockengestell auf dem Balkon.
Petronias Geschichten sind natürlich viel fantastischer und freier. Es bringt galaktisch großen Spaß, an den Layouts zu basteln, Folgen zu zeichnen, die wie ein Spielbrett oder ein Bastelbogen aussehen. Ich mag beide Arten des Erzählens gleichermaßen. Wie immer macht’s die Mischung.

Katharina Greve (Autorin und Zeichnerin): „Die dicke Prinzessin Petronia“.
Avant-Verlag, Berlin 2019. 104 Seiten. 20 Euro

Fortsetzungs-Strips machen weltweit einen Großteil aller Comicveröffentlichungen aus. Warum ist dieses Comic-Format für Zeichner nach über 100 Jahren noch immer so attraktiv?
Serien entwickeln im besten Falle eine Sogwirkung: Man taucht von Folge zu Folge tiefer in die Welt ein und lernt die Figuren besser kennen. Und das gilt ja nicht nur für den Leser, sondern auch für die Zeichnerin. Wie alle Fantasiegeschöpfe entwickelt auch Petronia ein Eigenleben und es ist eine große Freude, ihr dabei zuzusehen. Ich denke, dass es vielen Strip-Zeichnern und -Zeichnerinnen ähnlich geht: Es ist schön, die eigene Schöpfung über einen langen Zeitraum hinweg zu begleiten, Höhen und Tiefen mit ihr zu teilen. Vielleicht sind diese Wesen ja ein wenig wie unsichtbare Freunde.

Welche Strips hatten den meisten Einfluss auf deine Entwicklung als Zeichnerin und Humoristin?
Ich bin unter anderem mit Hägar dem Schrecklichen aufgewachsen. Ich hoffe, ich habe inzwischen meinen eigenen Humor entwickelt, aber Hägar ist teilweise dafür verantwortlich, dass ich überhaupt welchen habe. Als ich angefangen habe, mich professionell mit dem Witz zu beschäftigen, waren es die Comics der Neuen Frankfurter Schule, die mich am meisten interessiert haben, also Robert Gernhardt und Co. Aktuell habe ich Tom Gauld und Peter Blegvad für mich entdeckt.

„Die dicke Prinzessin Petronia“ ist eine Persiflage auf Antoine de Saint-Exupérys Kinderbuchklassiker „Der kleine Prinz“. Bist du selbst ebenso genervt vom Kleinen Prinzen wie seine Cousine Petronia? Was für ein Verhältnis hattest du als Kind zu dem Buch? Und was bedeutet es für dich heute?
Als Kind habe ich den kleinen Prinzen natürlich geliebt, als Buch und Weihnachtsmärchen im Theater. Aber als Kind dachte ich ja auch, im Keller würden Vampire auf mich lauern und mit 30 Jahren wäre ich steinalt. Kurz: Mein Horizont war damals ein wenig begrenzt. Das hat sich hoffentlich verwachsen mit der Zeit. Inzwischen teile ich Petronias Abneigung gegen ihren Cousin und halte ihn für einen kleinen Schleimer, der mit seiner blonden Niedlichkeit und seiner kitschigen Aura schamlos Mensch und Tier manipuliert.

Die dicke Prinzessin Petronia, Folge 7

Gibt es auch Positives, was du dem kleinen Prinzen abgewinnen kannst?
Da ich mich voll und ganz mit Petronia solidarisch erkläre: Nein.

Wie würdest du Petronia beschreiben? Ist sie die typische interstellare Adelsvertreterin oder fällt sie eher aus der Reihe?
Da sie die einzige Tochter der Königin des Universums ist und damit erste Thronfolgerin, kann sie nicht typisch sein, sondern ist per se einzigartig. Zusätzlich ist sie aber auch noch ziemlich verschroben: Sie hasst Rosa, liebt dafür Naturwissenschaften und bricht damit mit abgedroschenen Rollenklischees, die so über Prinzessinnen kursieren. Außerdem neigt Petronia sehr zur Herrschsucht, gepaart mit einem guten Schuss Grausamkeit. In diesen letzten Eigenschaften wird sie lediglich von ihrer Mutter übertroffen, die sie auf diesen winzigen Himmelskörper verbannt hat. Eigentlich will Petronia nur nach Hause und fühlt sich schrecklich einsam. Tragisch.

Du nennst Petronia „dick“. Machst du dich damit über sie lustig?
Nein. Petronia hat ihr Wohlfühlgewicht. Ich wollte einen totalen Gegensatz zum kleinen Prinzen erschaffen, innerlich wie äußerlich. Der Prinz ist honigsüß – Petronia ist verdammt mürrisch. Er ist blond, schlank und entspricht vorherrschenden Schönheitsnormen – also musste sie einfach kräftiger sein. Sie findet sich absolut zu Recht genau richtig, und wenn das Universum etwas anderes denkt, liegt es falsch.

Die dicke Prinzessin Petronia, Folge 5

Kannst du uns zum Schluss ein bisschen über deine Arbeitsweise als Strip-Zeichnerin erzählen? Hast du als Ausgangspunkt erst die Pointe und und strickst dann einen Plot, oder hast du erst eine grobe Plot-Idee und suchst dann einen passenden Schluss-Gag? Wie arbeitest du generell und wie speziell an den „Petronia“-Strips?
Generell ist das sehr unterschiedlich. Mal ist das eine, mal das andere zuerst da. Ich zeichne ja auch Cartoons, also Ein-Bild-Witze. In denen gibt es recht wenig Handlung, die bestehen quasi nur aus einem Schluss-Gag.
Bei „Petronia“ jedoch steht am Anfang meist eine Plot-Idee. Das können klassische Science-Fiction-Motive sein, wie eine Entführung durch Aliens oder Begegnungen mit astronomischen Phänomenen wie Kometenschwärmen und Dunkler Materie. Manchmal ist die Grundidee aber auch einfach purer Nonsens wie in der Folge, in der Petronia mit ihren Eltern Urlaub auf dem Fleischplaneten macht. Hier ist, wie der Name schon sagt, alles aus Fleisch: Es gibt eine Schinken-Steilküste, Wurst-Boote, einen Mettstrand. Alles ist wunderbar – nur ihr blöder Cousin, den ihre Eltern mitgenommen haben, stört das Urlaubsidyll.

Was wird dein nächstes Projekt sein?
Die „Petronia“-Serie läuft ja weiter in der Zeitschrift Das Magazin. Sie wird mich hoffentlich noch lange durch die unendlichen Weiten des Weltalls begleiten. Eine vage Idee für eine neue Serie gibt es bereits, aber die muss ich noch in Ruhe ausbrüten.