Dada ist politisch – „Grosz“

George Grosz gilt als einer der bedeutenden politisch-satirischen Künstler der Weimarer Republik – der wegen seiner Bilder immer wieder vor Gericht stand. Nun hat der norwegische Comickünstler Lars Fiske eine Biografie über George Grosz gezeichnet, in der er auch das Berlin der Weimarer Republik aufleben lässt. „Grosz“ heißt das Buch ganz schlicht.

Lars Fiske greift sich Schlüsselszenen aus dem Leben von George Grosz heraus: den Ersten Weltkrieg zum Beispiel, den Grosz eigentlich nur kurz erlebt hat. Fiske zeigt aber, wie Grosz schon die Demütigungen in der Kaserne so zugesetzt haben, dass ihn das mit einer Riesenwut zurückgelassen hat. Und er zeigt, wie Grosz wegen seiner satirischen Zeichnungen immer wieder vor Gericht landet und verurteilt wird – weil er das Militär verunglimpfen würde. Ein anderes Mal wird er wegen Pornografie verurteilt.

Lars Fiske (Autor und Zeichner): „Grosz“.
Avant-Verlag, Berlin 2019. 80 Seiten. 25 Euro

Der Comic als furioser Stummfilm

Den Comic-Zeichnungen stellt Lars Fiske immer wieder Zitate von Grosz gegenüber: „Dada ist politisch“ zum Beispiel oder „Das Gerede von Ethik ist Betrug, bestimmt für die Dummen“. Diese Zitate sind übrigens die einzigen Texte in dem Buch. Lars Fiskes „Grosz“ ähnelt einem furiosen Stummfilm.

Und es ist alles andere als eine klassische Biografie, weil er einfach zu viel weglässt: Kaum ein Weggefährte kommt vor, die Kindheit von Grosz spart Fiske ganz aus. Stattdessen zeichnet er, wie der satirische Künstler von seiner Zeit geprägt ist: von den politischen Extremen, dem furchtbaren Elend in den Straßen von Berlin und zugleich der Genusssucht, die damals herrschte.

Ein Chaos, das man entschlüsseln muss

Das Berlin der Zwanzigerjahre wird in dem Comic „Grosz“ vor allem als eine Flut von Reizen inszeniert. Wenn Grosz zum Beispiel durch die Straßen von Berlin geht, dann ist seine Gestalt komplett gezeichnet – aber auch die Gestalt des zerlumpten Bettlers oder die des dicken Zigarrenrauchers. Der Körper des Gaffers genauso wie der Körper der Begafften, bei der man sogar die nackte Brust sieht, obwohl sie eigentlich Mantel und Hut trägt. Straßenkehrer und Militärs – alles überlagert sich, alles ist gleich wichtig oder vielleicht auch gleich laut.

Das sind Bilder, die man erst entschlüsseln muss, wie man auch Kunst entschlüsseln muss. Die ganzseitigen Bilder hat Lars Fiske übrigens auch signiert, als wären es Kunstwerke. Und diesen starken, dynamischen Szenen setzt Fiske immer wieder ruhige Bilder entgegen, die mitunter ganz beklemmend sein können – zum Beispiel als er mit seiner Familie an der Ostsee Urlaub macht. Da wirken die Bilder wunderbar entspannt – bis Grosz vor einer Sandburg steht, auf der ganz selbstverständlich Hakenkreuzfähnchen wehen. Später werden die Nationalsozialisten seine Kunst als entartet vernichten.

Die Kunst des George Grosz

Für seinen Comic hat Lars Fiske den reduzierten Strich adaptiert, mit dem George Grosz so wunderbar Menschen karikiert hat. Die Nüchternheit, für die George Grosz aber berühmt wurde, weil er das ganze Chaos der Weimarer Republik so klar und übersichtlich gezeichnet hat, das es einem kalt den Rücken runterläuft, die findet man im Comic nicht.

Lars Fiske macht eher das Gegenteil: Er inszeniert die Weimarer Republik als Reizüberflutung, in der Grosz immer wieder der Gedemütigte oder Getriebene ist und sich dem Alkohol genauso hingibt wie den Frauen oder der Kunst. Und der dann eben all diese Erfahrungen in seine Kunst einfließen lässt.

Das ist großartig, denn selten werden die Umbrüche der Weimarer Republik so nachvollziehbar wie hier – und sind zugleich so kunstvoll verdichtet. Und trotzdem wäre es schön gewesen, wenn in der gezeichneten Biografie deutlicher geworden wäre, was die Kunst von George Grosz ausmacht.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 26.02.2019 auf: kulturradio rbb

Hier findet sich ein Interview mit Lars Fiske.

Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.