Dinosaurier. Dinosaurier? Dinosaurier! Mit Riesenechsen beginnt die neue filmische Adaption von Edgar Rice Burroughs‘ klassischer „Tarzan“-Geschichte, eine deutsche Produktion, die mit Geschäftssin in die Lücke vorprescht, die mit dem Ende von Disneys Lizenzrechten an dem Stoff entstanden ist. Erzählt wird einmal mehr die Geschichte vom weißen Jungen, der in der Obhut großer Affen im Dschungel landet, sich Jahre später als König des Dschungels von Liane zu Liane schwingt, die Bekanntschaft mit einer gewissen Jane macht und sich schließlich als Spross einer britischen Adelsfamilie – hier: eines großen Konzerns – entpuppt.
Um große Töne ist das Presseheft zum Film nicht verlegen: Es heißt, man wollte sich an einer möglichst authentischen Umsetzung versuchen. Beim Versuch ist es offensichtlich geblieben, jedenfalls sind vom Original nurmehr die Umrisse geblieben. Angereichert hat man den Film mit einer blödsinnigen Geschichte um einen Meteoriten, der vor Jahrmillionen – deshalb: Dinosaurier – auf die Erde gestürzt ist und heute das Interesse eines internationalen Konzerns weckt, verspricht er doch, eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle zu sein. Den Unsinn im Detail – nicht nur bleibt der beträchtliche Meteorit in Größe und Umfang trotz seines ruppigen Aufschlags geradezu im Originalzustand erhalten, auch verwundert die Tatsache, dass dieser gigantisch im Dschungel prangende Brocken in dieser Hi-Tech-Welt offenbar komplett übersehen wurde – kann man gut verschmerzen; schmerzhaft wird es allerdings, wenn klar wird, warum der Meteorit in diese Geschichte zu stürzen hatte: In dessen Umgebung erstrahlt ein offensichtlich von „Avatar“ abgekupfertes Wunderland mit sonderbar geformten Pflanzen und Tieren. Dessen Funktion beschränkt sich allerdings darauf, sinnlos minutenlang und reichlich fad im Film herumzustehen. Die Oberfläche des kosmischen Gebildes sieht unterdessen verdächtig nach dem bizarren Düsterland Mordor aus, das man aus „Herr der Ringe“ kennt.Dinosaurier, Wunder-Fauna, Mordor-Abklatsch – „Tarzan 3D“ offenbart sich mit großer Geste als das, was der Film tatsächlich bloß ist: Eine reine Portfolio-Arbeit ohne Sinn und Verstand, die laut sagt: „Schaut her, so was können wir auch.“ Hätte das den Charme einer hemdsärmeligen Aneignung, könnte man dem durchaus etwas abgewinnen. Doch „Tarzan 3D“ macht ernste Miene zum ernst nicht nehmbaren Spiel und macht sich, insbesondere auch im Verbund mit dem im Märchenonkel-Brustton der Überzeugung knarzig fabulierenden Voice-Over-Erzähler, im Großen und Ganzen ziemlich lächerlich.
Das auch, weil es handwerklich reichlich hakt. Stolz kommt die Angabe daher, man habe den Film, ähnlich wie „Avatar“, im Motion-Capturing-Verfahren gedreht. Da es aber zu „Avatar“-Qualität aus den Hochleistungsrechenzentren Hollywoods verständlicherweise nicht gereicht hat, hat man sich dazu entschlossen, Physiognomie und Textur der Figuren ins Cartoonhafte zu verschieben, auch um das gefürchtete „Uncanny Valley“ zu umgehen, also jene unheimliche Phase in der Animation, in der eine Figur bereits zu menschenähnlich ist, um noch als erkennbar künstliche Figur durchzugehen, aber noch sichtlich davon entfernt ist, mit einem echten Menschen auch tatsächlich verwechselt zu werden. Diese Entscheidung hat zur Folge, dass Tarzans Körper zwar eine durchaus beeindruckend animierte Akrobatik hinlegt, andere Figuren aber wie elastische Knetmasse wirken und es an allen Ecken und Enden am emotionalen Ausdruck mangelt.Dass im weiteren der Plot von Logiklöchern perforiert ist und es trotz vieler Zugeständnisse an heutige Verhältnisse ziemlich altbacken müffelt – nicht nur hat man Tarzans Affenmutter die Anflüge eines Schminkgesichts als Signum weiblicher Identität ins Gesicht animiert, auch knarrt der Voice-Over am Ende davon, dass Tarzan endlich das wertvollste auf dieser Erde gefunden habe, nämlich „die Liebe einer Frau“ -, will einen da schon gar nicht mehr groß irritieren. Dieser „Tarzan“ ist ein nach allen Regeln der Kunst von den eigenen Ambitionen totgeschlagenes Waisenkind.
Dieser Text erschien zuerst am 19.02.2014 auf perlentaucher.de.
Tarzan 3D
Deutschland 2013
Regie: Reinhard Klooss – Drehbuch: Reinhard Klooss, Jessica Postigo, Yoni Brenner – Produktion: Reinhard Klooss, Robert Kulzer – Schnitt: Alexander Dittner – Darsteller: Kellan Lutz, Spencer Locke, Jaime Ray Newman, Robert Capron, Mark Deklin, Trevor St. John, Brian Huskey, Edd Osmond, Craig Garner, Andy Wareham, Jo Osmond, Anton Zetterholm, Christian Serritiello, Paul Lowe, Vlasto Peyitch – 94 Minuten – Kinostart: 20.02.2014 – FSK: ab 6 Jahre
Thomas Groh, Jahrgang 1978, lebt seit 1997 in Berlin, ist Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur und schreibt u. a. für die taz, den Tagesspiegel, den Perlentaucher und weitere Medien über Filme. Im Netz anzutreffen ist er in seinem Blog und auf Twitter.