Was für ein blanker Unsinn – „Ghost Rider: Spirit of Vengeance“

© Constantin

Osteuropa ist das neue Hollywood: Manches Studio lagert schon aus Kostengründen seine Dreharbeiten dorthin aus, auch wenn die Filme ihre Herkunft rein äußerlich gern verleugnen. Und manche Actionrecken früherer Zeiten – allen voran Dolph Lundgren, der auf seine alten Tage mittlerweile so etwas wie ein Ein-Mann-Direct-to-DVD-Filmproduktionsstudio darstellt – konzentrieren sich sogar allumfassend auf den ehemaligen Ostblock nicht nur als Produktionsstätte, sondern auch als maßgeblichen Spielort ihrer Allmachtsfantasien. Von daher ist es vielleicht kein Wunder – zumindest aber wohl finanzökonomisches Kalkül -, wenn es den Ghost Rider (Nicolas Cage), den mit Lederkluft-, Motorrad- und Eisenkettenausstattung schon immer proletarischsten aller Comichelden aus der zweiten oder dritten Marvel-Reihe, für die Fortsetzung seines ersten, auf eigentümliche Weise recht unterhaltsam geratenen Kinoabenteuers nun ins osteuropäische (und vorderasiatische) Hinterland verschlägt, wo er hinter alten Mauern des noch älteren Europas Wunden leckt.

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Anders als die anderen mehr oder weniger zahnpastawerbungkompatiblen Marvel-Helden wie Iron Man, Thor oder Captain America (vom DC-Konkurrenten Green Lantern ganz zu schweigen) ist der Ghost Rider eine von Grund auf tragische Figur und schon qua Herkunft keine Lichtgestalt zur Wahrung und Errettung des Guten, sondern buchstäblich ein armer Teufel, der bitter darunter leidet, seine Seele dem Satan überantwortet zu haben: Kein Menschenrichter mit Muskeln also tritt hier auf, sondern ein Seelenschlucker, der rächend aufsammelt, was übrigbleibt. Und wer, wenn nicht Nicolas Cage, selbst ein armer Teufel aus der mittlerweile dritten Hollywood-Reihe, der wie kaum ein zweiter Darsteller in den vergangenen Jahren seine Karriere durch höchst zweifelhafte Entscheidungen konsequent in die Direct-to-DVD-Hölle der unteren Videothekenregale manövriert hat, wer also wenn nicht dieser Nicolas Cage, dessen wildes Grimassieren längst schon unter Cage-ing als Idiom in den Internet-Nerd-Slang eingegangen ist, könnte diese neurotisch völlig zerfahrene Figur, die ständig zwischen wutentbrannter Weltabgewandtheit, brachialen Gewaltausbrüchen und Begeisterung über ihre eigene Proletenhaftigkeit (Wie pinkelt ein Teufelssohn, der Feuer speit? Wie ein Flammenwerfer!) changiert, auf den Punkt bringen? Eben.

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In Teil 1 der ohnehin nur als Franchise zweiter Klasse angelegten Reihe vermengte sich das zu einem immerhin veritablen B-Movie-Spaß zwischen Motorradmilieu und fröhlicher Unbekümmertheit. Für Teil 2 ließ es immerhin aufmerken, dass mit Mark Neveldin und Brian Taylor zwei seit ihrem wahnwitzigen „Crank“ (2006) als Erneuerer des jüngeren Actionkinos im Segment zwischen großem Blockbuster und Videothekengülle gehandelte Regisseure Nicolas Cage auf verzweifelter Mission zur Seite stehen. Allein, der gemeinschaftliche Ausflug nach Transsylvanien stand wohl schon wegen der Auflage, einen PG-13-tauglichen und damit recht zahmen Actionfilm abzuliefern, nicht unter dem allerbesten Stern.

So ist denn „Ghost Rider 2“, man muss das in aller Deutlichkeit so sagen, in erster Linie öder Murks, stets gefesselt zwischen dem Erzählen-Wollen einer überdies recht faden, der Rede nicht werten Abenteuergeschichte mit etwas Indiana-Jones-artigem Okkultismus-Budenzauber und einem nie recht zugelassenen Drang zum Actionexzess. Dabei war es doch gerade der Ballast des Erzählens, der „Plotitis“, dessen sich Neveldin/Taylor mit ihrer wunderbar grotesken Anordnung in „Crank“ fröhlich entledigt hatten. In „Ghost Rider 2“ kommt er dafür nun geballt, plump und schwer zurück, noch dazu in einer der unnötigsten und ineffektivsten 3D-Konvertierungen der jüngeren Zeit. Das ist insofern auch absurd, da der Film am Ende schließlich eine Erlösungsgeschichte erzählt, davon wie der Ghost Rider sich seines Fluchs entledigen könnte, gewissermaßen eine Art Luzifer-Inversion – von der Höllenbrut zur Lichtgestalt: Wer sollte wohl – und warum überhaupt – ein Interesse daran haben, dass ausgerechnet der schmutzigste, exzessivste Rocker der ansonsten so steril anmutenden Pfadfinderbande im Superheldenuniversum am Ende nicht mehr bösartig mit Eisenketten und Feuersbrunst hantiert, sondern fromm und artig Weihwasser verspritzt? Ihr Teufel und Dämonen unter Gottes weitem Himmel, was für ein blanker Unsinn!

Dieser Text erschien zuerst am 22.02.2012 in: perlentaucher.de

Ghost Rider: Spirit of Vengeance
USA 2012

Regie: Mark Neveldine, Brian Taylor – Darsteller: Nicolas Cage, Fergus Riordan, Ciarán Hinds, Idris Elba, Christopher Lambert, Violante Placido, Johnny Whitworth – Länge: 96 min. – Start: 23.02.2012

Thomas Groh, Jahrgang 1978, lebt seit 1997 in Berlin, ist Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur und schreibt u. a. für die taz, den Tagesspiegel, den Perlentaucher und weitere Medien über Filme. Im Netz anzutreffen ist er in seinem Blog und auf Twitter.