Art Spiegelman übt Trump-Kritik und Marvel Comics zeigt sich nicht begeistert

© Marvel

Comickünstler Art Spiegelman zählt nicht nur zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Comicindustrie, nein, sein legendärer Comic „Maus“ darf noch immer als ultimatives Standardwerk des Mediums betrachtet werden. Nicht ohne Grund wurde Spiegelman als erster Comicschaffender überhaupt dafür mit dem renommierten Pulitzer Preis ausgezeichnet.

Nun wurde bekannt, dass Spiegelman den Auftrag hatte, einen Essay für die anstehende „Marvel: The Golden Age 1939–1949“ Collection The Folio Society abzuliefern. Doch zeigte sich Marvel Comics mit einer gewissen Textpassage des Textes nicht zufrieden, welche sich im Wortlaut kritisch an den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump richtete. In Spiegelmans einleitendem Essay ging es primär darum, wie junge jüdische Comickünstler in den 1930ern und 1940ern das Comicmedium nutzten, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen und dementsprechend Statements in Form ihrer Superheldencomics abzugeben. So heißt es in der betreffenden Passage:

„In der heutigen, allzu realen Welt ist Captain Americas ruchlosester Villain, der Red Skull, live auf der Leinwand zu betrachten, während ein Orange Skull ganz Amerika heimsucht.“

Das Cover zu „Captain America“ #1 von Jack Kirby, 1941 © Marvel

Nachdem Spiegelman den Text einreichte, informierte ihn The Folio Society, dass Marvel Comics diesen zurückwies und verlangte, die betreffende Passage zu entfernen, sofern das Essay in der Gänze Verwendung finden solle. Marvel Comics sei es weiterhin wichtig, „unpolitisch zu bleiben und werde daher nicht zulassen, dass ihre Publikationen politisch Stellung beziehen“.

Nun, betrachtet man das eigentliche Thema des Essays über Künstler wie Jack Kirby oder Joe Simon, die mit Captain America eine Urform des amerikanischen Helden schufen, der zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland reiste, um Adolf Hitler persönlich zu vermöbeln, erscheint diese Begründung gewiss etwas… weit hergeholt. Und auch heute noch ist Marvel Comics für ihre tagesaktuell-politschen Auseinandersetzungen innerhalb ihres Mediums bekannt, weshalb die Begründung ein zusätzliches Geschmäckle besitzt. Denn wenn Marvel Comics eins nicht ist, dann unpolitisch. Vielmehr dürfte die direkte Anspielung auf Donald Trump wenig Wohlwollen bei Marvel Entertainment Chairman Isaac Perlmutter erzeugt haben, der bekanntermaßen zu den großen Unterstützern und auch Freunden des Orange Skull gehört und ihm erst jüngst wieder die gesetzlich festgeschriebene Höchstsumme für Spenden – 360.000 US Dollar – zukommen ließ. Das Geld ging abermals an Trumps Victory Joint Fundraising Committee für 2020. Zudem ist Perlmutter Mitglied in Trumps exklusivem Elite-Club „Mar-a-Lago“, welcher in Trumps gleichnamigem Palm Beach Anwesen residiert.

Spiegelman weigerte sich, die Passage zu entfernen, weshalb The Folio Society die Collection nun mit einem Vorwort des ehemaligen Chefredakteurs Roy Thomas veröffentlicht. Art Spiegelman hingegen ließ seinen Text jedoch nicht in der Schublade verschwinden, sondern publizierte ihn jüngst in der britischen Tageszeitung The Guardian, wo der Essay ungekürzt veröffentlicht wurde.

Eine recht peinliche Aktion des US-Comicverlages, der seit Jahrzehnten dafür bekannt ist, keine Scheu vor politischer Auseinandersetzung zu haben. Gewiss steht es Marvel zu, ein solches Statement aus den Publikationen herauszuhalten. Jedoch ist die vorgeschobene Begründung billig und ein Beleg für den fehlenden Mut, mit eben jenen offenen Karten zu spielen, die ohnehin schon jeder gesehen hat.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf: bizzaroworldcomics.de

Emanuel Brauer ist Betreiber des Comic-Blogs bizzaroworldcomics.de, Autor für das Comic-Fachmagazin Comixene sowie auch für Comic.de.