Ein Prinz sie zu knechten – „Masters of the Universe: Die Giganten des Universums“

Während bei Panini ein edler, aber durch seinen Umfang auch kostspieliger Sammelschuber mit sämtlichen (vor allem modernen) DC-Comics zu He-Man und seinen Anabolika-Spielzeugfreunden erscheint, geht die Retrofabrik aus Duisburg einen ganz anderen Weg. Hier erscheinen die tatsächlich in Deutschland produzierten Eigeninterpretationen, die in den Achtzigern, zur Blütezeit der damals populären Masters-Spielzeuge, vom heute nicht mehr existenten Interpart-Verlag herausgegeben wurden. Wie auch bei den beliebten und hochwertigen deutschen Hörspielen war hier ein eigenes Team mit einer Ausarbeitung der vom Hersteller nur sehr grob vorgegebenen Geschichte betraut, das aus dem Autor Wilfried A. Hary und dem Künstler Michael Götze bestand. Ersterer hatte vorher kaum mit Comics zu tun, letzterer nennt als seinen größten Einfluss den vor drei Jahren verstorbenen Sigurd-Schöpfer Hansrudi Wäscher.

„Masters of the Universe: Die Giganten des Universums“.
Retrofabrik, Duisburg 2019. 600 Seiten. 59,90 Euro

Dieser Hintergrund ist neben zeitgenössischen US-Einflüssen ganz deutlich sichtbar und lässt immer wieder staunen, wie detailliert und dynamisch die Comic-Umsetzung der Spielzeuglizenz gestaltet und wie würdevoll sie gealtert ist. Die auf den ersten Blick sehr naiven Storys werden bei Menschen, die nie mit den „Masters of the Universe“ in Berührung gekommen sind, wahrscheinlich nur Stirnrunzeln auslösen. Wer früher selbst die Plastik-Krieger in die Kinderzimmerschlacht geschickt oder die charmante Trickserie geschaut hat, wird aber schnell verstehen, dass er hier etwas Besonderes in den Händen hält. Ja, alle medialen Erzeugnisse rund um die kinderfreundliche Fantasy-Story dienten vor allem dem Zweck, neue Figuren, Fahrzeuge und Reittiere der jungen Zielgruppe vorzustellen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht so flächendeckend mit Werbung beschossen werden durfte, wie es heute der Fall ist. Die ungelenk in den kurzen Fantasy-Storys platzierten Werbehinweise haben aber nostalgischen Wert. Und sie lassen den gealterten He-Man-Enthusiasten zudem vermuten, dass die Botschaften auch dem Künstler-Duo eher eine Last, denn ein Arbeitsauftrag waren, die irgendwo halt untergebracht, aber nicht aufwändig eingebettet werden mussten.

Knapp 600 großformatige Seiten auf hochwertigem Papier in einem schönen und stabilen Hardcover-Einband eignen sich natürlich als schmucker Coffee-Table-Schmöker für ambitionierte Nerd-Höhlen, können aber auch noch ganz prima und gemütlich gelesen werden, ohne dafür noch einen Extra-Tag im Fitness-Studio einlegen zu müssen. Dem umfangreichen redaktionellen Material merkt man ganz deutlich die Leidenschaft der Retrofabrik an und ihre tiefe Kenntnis der Materie. Es macht wirklich großen Spaß, die Hintergründe der Entstehung dieser deutschen Comic-Produktion kennenzulernen.

Aber auch wer die alten Heft-Ausgaben noch auf dem Dachboden lagert oder sie teuer auf eBay zusammengestellt hat, sollte einen Blick auf die Veröffentlichung werfen. Die hervorragende Restauration der Bilder ist bis in kleinste Details dokumentiert. Wo inhaltliche oder gestalterische Korrekturen gegenüber dem Ursprungsmaterial vorgenommen wurden, da folgen auch immer Erklärungen für diese Anpassungen. So und nicht anders sollten Sammlungen gealterter Comic-Schätze aussehen. Nicht einmal der Inhalt der Interpart-Taschenbücher fehlt in dem wuchtigem Schinken, obwohl den in Italien produzierten Inhalt wohl auch keine Restauration mehr hätte retten können. Vollständigkeit weiß der Sammler ja dennoch zu schätzen.

Mattes Penkert-Hennig ist Betreiber des Online-Comicmagazins DeinAntiHeld.de, Autor für Comic.de und den Berliner Tagesspiegel, war Juror beim „Rudolph Dirks Award“, Panelmoderator auf Comicmessen und hat zahlreiche Video-Interviews mit internationalen Comic-Künstlen geführt. Darüber hinaus produziert er animierte Video-Trailer für Comics und artverwandte Medien.