Einer muss den Job ja machen – „Superman returns“

© Warner Bros. Pictures Germany

Superman, der erste und bekannteste aller Comic-Superhelden, ist zugleich der amerikanischste: Immi­grant, fremd in der Welt, jede Menge Übermenschentum, immer im Glauben an das Gute im Menschen und sich selbst – der Freak schlechthin.

Superheld zu sein, war immer anstrengend. In der Welt von Superman hatten die anderen in der Regel eine gro­ße Menge mehr Spaß als er. Für an­dere leben, sich in den Dienst der Allgemeinheit stellen – alles schwere Bürden der trivialen Reli­gion eines weißen nordamerikanischen Arbeiters. Kein Wunder, dass der Adoptivsohn eines Farmerehepaars, der aus dem All kam, in diesen schweren Dienstleistungszeiten ein Sabattical nahm und Jahrzehnte lang von der Leinwand verschwand.

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Die Spielfilmadaption „Superman returns“ von Bryan Singer, der sich zuvor mit den Superhelden-Kollegen „X-Men“ beschäftigte, beginnt mit Supermans Rückkehr von einer fünfjährigen Reise durch den Kosmos und die Antarktis. Berichte über die Ortung seines Heimat­planeten Krypton hatten ihn dazu geführt, sich mit seiner Herkunft zu beschäftigen. Mit seiner Existenz als ewiges Findelkind hat er sich abgefunden. Nun ist die Welt aber eine andere geworden: Die jungen Top-Journalistinnen von heute, mit denen es Superman zu tun bekommt, führen wilde Ehen, haben Söhne und versuchen zu rauchen. Und diese Karriere-Girlies gewinnen, wie Lois Lane (Kate Bosworth), Chefreporterin des Daily Planet und Geliebte Supermans, den Pulitzer-Preis dank Aufsätzen mit Titeln wie „Warum die Welt Superman nicht braucht“. Insgesamt 154 Minuten hat diese Welt dann Zeit, sich mit Lois Lanes Thesen auseinanderzusetzen. Währenddessen gibt es natürlich jede Menge spektakulärer Liebesszenen und irrsinniger Action, eine gewaltige Kontinentalverschiebung, größenwahnsinnigen Terrorismus und rasante Sturzflugsequenzen.

Dass einem dabei nicht sonderbar langweilig wird, liegt weniger an dem üblichen Knall-Bumm-Peng digitalisierter Spezialeffekte, der perfekten Optik und der Fülle von Stunt-Ideen als vielmehr an dem Anspielungsreichtum des Films, den Koor­dinaten, in denen man das auf Reset geschaltete Leben des Superhelden aufhängt. Superman ist schließlich seit seiner Schöpfung in den dreißiger Jahren ein wenig in die Jahre gekommen, schleppt Ballast mit sich herum und muss doch völlig neu ausgestaltet werden. Darsteller Brandon Routh ist an sich schon eine Comic-Figur, so nah spielt er sich an die Rolle. Und Gertrude Vanderworth, die Supermans Erzfeind Luthor unterstützt, wird gespielt von Noel Neill, der ersten Lois-Lane-Darstellerin in den beiden Superman-Kino­serien der vierziger Jahre.

Das Reportermilieu, das Superman für sein Alter Ego Clark Kent wählte, um ganz nah dran zu sein an weltbewegenden Informationen, ist angesichts der Dominanz von Fernsehen und Internet nur noch schwer zu halten. Das wird illustriert am Daily-Planet-Fotografen, der angesichts der Fülle von per­fekten Superman-Bildern, die Jugendliche mit ihren Foto-Handys schie­ßen, kapituliert.

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Angekratzt wie die traditionelle Job-Welt sind auch die amerikanischen ­Wer­te: Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind fließend, und in so einer Zeit Superhelden zu haben, ist gut und schön, aber sie machen auch ganz schön viel Arbeit. Die Bevölkerung hat die Freuden der Normalität (Kind, Küche, Karriere) nach dem anstrengenden Tagesdienst (Tragödie, Sex, Superman) entdeckt. Um die Spülmaschine zu stopfen, tut’s auch ein herkömmlicher Mann.

Die Legitimation fürs Superheldentum kommt ebenso angestaubt daher wie Supermans transenhafter Cape-und-Anzug-Fummel. Erzfeind Lex Luthor (Kevin Spacey) war auch lange unterwegs, allerdings kam er nur bis in den Knast. Ganz old-schoolig trachtet er nach der Weltherrschaft, ganz tradi­tionell hantiert er als idealer Gesamt­kapitalist mit Stoffen und Technik, um deren Handhabung er mit Superman konkurriert. Ein ehrgeiziges, unglaublich schwachsinniges Neulandprojekt im Ozean hat er im Sinn; nicht weniger als Outsourcing der Lebenswelt schwebt ihm vor. Diese ist schon radioaktiv verseucht, bevor jemand drin wohnt.

Genauso wie sein Kontrahent ist er ein Mensch der Physis, der Eroberung, der Kraft. Was also gemeint war mit Lanes Aufsatz, man brauche keine Superhelden, bedeutete auch: Man will keine Superschurken. Keine Aufregung. Befriedigung ist eine Einbauküche. Das Streben nach Glück ist um so vieles wichtiger als der angestrebte Endzustand selbst: Nicht nur zum Helfen, sondern immer wieder zum Abhauen benutzt der Supermann deswegen seine Kräfte. Lieber mit Luthor kämpfen, als in der Kleinfamilien-Ehehölle brutzeln, lautet die Devise.

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Dass anscheinend hoch depressive Men­schen dieses Drehbuch geschrieben haben, verleiht „Superman returns“ eine zusätzlich marode Note. Gerade weil der Mann von Krypton nicht ganz zur mensch­lichen Sippe gehört, gerät alles noch viel drastischer: Wenn er heult, heult er Super­tränen, das Superkind hat gleich Superasthma, und der Hund spielt mit Superman besser nicht Apportieren. Und wenn mal was klappt, ist der Superheld gleich supereitel. Und wenn Superman tot ist – auch das ist zeitweise der Fall –, dann ist er gleich supertot.

Viele, wenn nicht alle Aspekte der klassischen Superman-Geschichte will der Film noch einmal berühren, beschreiben und neu verknüpfen. So auch diesen: Die Entstehung der Figur und ihrer Applikation ist maßgeblich beeinflusst von der Situation der USA zu Zeiten von Börsenkrach, Depression und Weltkrieg. Der Junge, der vom freien Feld der Farmer ins freie Feld des Kapitals zieht, vom Bauern zum Angestellten wird, ist voller Hoffnung: Jeder kann es schaffen, auch und gerade der Freak; es wartet die Superliebe, der Superjob, die Superzukunft, wenn der Superschurke, der uns mit unserer düsteren Vergangen­heit konfrontiert, erst mal besiegt sein wird.

Ja, schön wär’s, denken wir, wenn wir uns „Superman returns“ angesehen haben. Zum Glück traut der Film seiner eigenen Ideologie dann aber doch nicht, die er zuvor mit so schönen Farben auf die Kino­leinwand gemalt hat. Die spürbare Ambivalenz des Films macht ihn so relativ ansehnlich. Eine Ambivalenz, die Bilder findet wie das beim vorläufigen Ende Lex Luthors: Er hat einen Helikop­ter, aber keinen Sprit.

Das mit dem Sprit, man ahnt es in Kapitalistenkreisen in und um Metropolis, ist das Superschlimmste – Superman läuft hingegen schon länger mit Sonne.

Dieser Text erschien zuerst in: Jungle World 33/2006

Superman returns
USA 2006

Regie: Bryan Singer – Drehbuch: Dan Harris, Michael Dougherty – Produktion: Gilbert Adler, Jon Peters, Bryan Singer – Darsteller: Brandon Routh, Kate Bosworth, Kevin Spacey, James Marsden, Frank Langella, Tristan Lake Leabu, Parker Posey – Verleih: Warner – 154 Min. – Kinostart: 17.08.2006

Jürgen Kiontke arbeitet in Berlin als leitender Redakteur für das gewerkschaftliche Jugendmagazin Soli aktuell und als Online-Redakteur für Jugendprojekte. Er ist als Journalist und Filmkritiker tätig, u. a. für die Magazine konkret, Futurzwei und für die Wochenzeitung Jungle World. Für Amnesty International arbeitet er als Filmexperte und schreibt regelmäßig über Menschenrechte und Film im Amnesty Journal.